Evangelisch
Eisenstadt - Neufeld

Predigt Josua 1, (1-) 9 15.Jänner 2012 Eisenstadt (Konfirmandenvorstellung)

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus!

Verlesung des Predigtabschnitts Josua 1, 1-9 (Lektorin)

Liebe Gemeinde!
Unser Predigtabschnitt führt uns an den Anfang des Buches Josua, das unmittelbar an die 5 Bücher Mose anschließt.  Es beschreibt die Geschichte des Volkes Israel bei der Durchquerung des Jordan, die Einnahme des „gelobten Landes“ nach der Wüstenwanderung.
Das Buch trägt den Namen des jungen Mannes, der das Volk nach dem Tod des Mose in das verheißene Land geführt hat – eben Josua.

Am Schluss des Abschnitts steht jener Vers, den ich meinen Schülern gerne als „Schularbeitenvers“ mitgebe,Vers 9:
„Siehe, ich habe dir geboten, dass du getrost und unverzagt seist.
Laß dir nicht grauen und entsetze dich nicht; denn der HERR, dein Gott, ist mit dir in allem, was du tun wirst.“


Aber bevor wir dieses mutmachende Wort näher betrachten, werfen wir einen Blick auf den Zusammenhang.
Ich habe– nach alter Tradition – drei Abschnitte gewählt.
1.    Große Männer
2.    Übergänge
3.    Mutmachworte

1.    Also: Große Männer
In der Bibel finden wir die Geschichte des Volkes Israel und auch der ersten Gemeinden immer wieder festgemacht an Personen, an Männern vor allem, an „Vätern des Glaubens“.
Die „Erzväter“ Abraham, Isaak, Jakob … Mose … die Könige Saul, David, Salomo … Petrus und Paulus im NT, um nur einige zu nennen. Auch Josua gehört dazu.
Persönlichkeiten, die uns Vieles über den Glauben lehren können.

Und trotzdem stoßen wir an eine Grenze, wenn wir nur die „großen Männer“ in den Blick nehmen, oder auch gelegentlich einmal „große Frauen“. Gerade nach dem Jahr des Ehrenamtes 2011 stellt sich einfach die Frage: Was ist mit den vielen, vielen anderen, Frauen und Männern, die zwar nicht in den Büchern stehen, die aber durch ihren Einsatz, ihre Mühe, ihre Liebe ihre Mitwelt entscheidend geprägt haben.

In der weltlichen Geschichte wird das vielleicht noch deutlicher. Wie haben wir in der Schule Geschichte gelernt? Wie wird sie unterteilt und unterrichtet? Doch meistens nach Kriegen und Regierungszeiten „großer Männer“: Cäsar, Karl der Große, Napoleon oder Maria Theresia – um auch eine Frau zu nennen.
Die Kritik an einer solchen Sicht der Geschichte – nur aus dem Blickwinkel der „großen Männer“ - hat unübertroffen Bertold Brecht formuliert. In seinen „Fragen eines lesenden Arbeiters“ (ich zitiere ausschnittsweise)

Wer baute das siebentorige Theben
In den Büchern stehen die Namen von Königen. 
Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt? 
Und das mehrmals zerstörte Babylon -
Wer baute es so viele Male auf? In welchen Häusern 
Des goldstrahlenden Lima wohnten die Bauleute?
Wohin gingen an dem Abend, wo die chinesische Mauer
fertig war, 
Die Maurer? Das große Rom 
Ist voll von Triumphbögen. Wer errichtete sie? Über wen
Triumphierten die Cäsaren? Hatte das vielbesungene
Byzanz
Nur Paläste für seine Bewohner?

(Selbst in dem sagenhaften Atlantis / Brüllten doch in der Nacht, wo
das Meer es verschlang, Die Ersaufenden nach ihren Sklaven.)

Der junge Alexander eroberte Indien. 
Er allein? 
Cäsar schlug die Gallier. 
Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich? 
Philipp von Spanien weinte, als seine Flotte 
Untergegangen war. Weinte sonst niemand? 
Friedrich der Zweite siegte im Siebenjährigen Krieg. Wer 
Siegte außer ihm? 

Jede Seite ein Sieg. 
Wer kochte den Siegesschmaus? 
Alle zehn Jahre ein großer Mann. 
Wer bezahlte die Spesen?
So viele Berichte,
So viele Fragen.


Bertold Brecht. Nach wie vor unübertroffen. Und trotzdem, das ist die andere Seite, gibt es Persönlichkeiten, Männer und Frauen, die ihre Zeit, ihre Mitwelt entscheidend prägen, im Guten oder im Schlechten, im Großen und im Kleinen.
Positiv gesehen: Persönlichkeiten mit Charisma und Gestaltungskraft, die Entwicklungen und Menschen zusammensehen und zusammenführen können zu einem gemeinsamen Ziel, zu einem gemeinsamen Weg.
Es braucht auch die richtigen Leute zur richtigen Zeit, um Entwicklungen nicht zu verschlafen, um Akzente zu setzen, um Wege in die Zukunft zu bauen. Auch wenn diese Leute nicht in den Geschichtsbüchern stehen, sondern einfach Gutes tun, ihre Sache gut tun und damit uns allen, in der Gemeinde und der Gesellschaft, gut tun.

2.    Übergänge
Ich weiß nicht, wie gut sie den Josua kennen. Er wurde als Nachfolger des legendären Mose in der Führung des Volkes Israel eingesetzt. Von Gott dazu berufen, die lange Wüstenwanderung nach dem Auszug aus der Knechtschaft in Ägypten zu beenden.
Ein junger Mann, schon sehr früh in die Verantwortung hineingenommen.
Er soll nun das Volk Israel in der Phase des Übergangs führen.
Hinter ihnen die Wüste. Vor ihnen das Land Kanaan. Dazwischen der Jordan.

Mose war gestorben. Nun mußte der junge Josua an seine Stelle treten. Es war sicher nicht einfach für ihn, den Neuen, die Nachfolge des Mose anzutreten. Zweifel der Alten: Was soll der junge Hupfer?
Und ich kann mir gut vorstellen, dass auch dem Josua selber bange zumute war. Einerseits voller Tatendrang, andrerseits aber auch unsicher.
Mit ängstlich pochendem Herzen. Vor der Verantwortung. Vor der Leere nach dem Bruch. Vor der neuen Situation.
Wie wird es sein – jenseits des Jordans?
Übergänge sind immer zwiespältig.
Und in diese Situation, in diese Gedanken und zwiespältigen Gefühle bekommt er die Verheißung, die Zusage Gottes:
„Siehe, ich habe dir geboten, dass du getrost und unverzagt seist.
Laß dir nicht grauen und entsetze dich nicht; denn der HERR, dein Gott, ist mit dir in allem, was du tun wirst.“


Übergänge.
Übergänge sind immer zwiespältig.
Hin und her geworfen zwischen Hoffen und Bangen.

Am Donnerstag war der Neujahrsempfang des neuen Bürgermeisters der Freistadt Eisenstadt. Verantwortliche der Stadt und des Landes waren anwesend. In den – traditionell wenigen – Reden klang es immer wieder durch: Es geht uns im Burgenland und in Eisenstadt relativ gut, die Entwicklungsdaten sind positiv, aber 2012 wird ein Jahr der Entscheidungen.
Das gilt für die Überlegungen zur Steuerreform, das gilt für die Euro-Krise, auch für die Wirtschaft ist ein Rückgang vorhergesagt.
Übergänge. Das gilt auch für unsere Gemeinde. Die Verantwortlichen sind neu gewählt, alte und neue gemischt, und es wird sich zeigen, was das für die Gemeindearbeit und den Stil des Umgangs bedeutet. Viele Anzeichen deuten auf eine positive Weiterentwicklung hin.
Und die Pläne für unser neues Gemeindezentrum liegen schon den Baubehörden vor. Ich hoffe sehr, dass dieses mutige Unternehmen für die Zukunft unserer weiterhin wachsenden Gemeinde auch von Ihnen mitgetragen und unterstützt wird.

Ein Jahr der Entscheidungen.
Für viele von uns auch persönlich. Was wird am Ende dieses Jahres sein?
Eine Konfirmandin kann an der nächsten Vorbereitung nicht teilnehmen, weil sie die Aufnahmsprüfung für eine weiterführende Schule hat.
Und eigentlich betrifft es fast jede Konfirmandin, jeden Konfirmanden: Was kommt nach dem Ende dieses Schuljahres?
Weiter in die selbe Schule gehen? Wechseln? Eine Lehre machen… welche?

Ein Jahr der Entscheidungen.
Übergänge.
Übergänge sind immer zwiespältig.
Hin und her geworfen zwischen Hoffen und Bangen.
Und in diese Situation, in diese Gedanken und zwiespältigen Gefühle dürfen auch wir die Verheißung, die Zusage Gottes an Josua für uns persönlich hören:
„Siehe, ich habe dir geboten, dass du getrost und unverzagt seist.
Laß dir nicht grauen und entsetze dich nicht; denn der HERR, dein Gott, ist mit dir in allem, was du tun wirst.“
Ein Mutmachwort.

1.    Große Männer
2.    Übergänge
3.    Mutmachworte
In unserem Abschnitt der Heiligen Schrift zunächst gerichtet an den jungen Josua:
Hab keine Angst. Ich bin bei dir genauso wie ich bei Mose war.
Ich bin bei dir in allem, was du tun wirst.
Halte dich an meine Weisungen, so heißt es später, dann werden deine Schritte nicht fehlgehen.
Und das Neue, das vor dir liegt, zwischen Hoffen und Bangen, ist eine Chance, dich zu entfalten, dich und deine Gemeinschaft ein Stück weiterzubringen.
Hab keine Angst. Meine Gedanken gehen deinen Schritten immer voraus.

Und sollten düstere Tage kommen, und sollten die Wege steiniger werden, und sollte die Euphorie nach der Überquerung des Jordans nachlassen, und wenn es dir nicht so gut geht:
Du kannst dich darauf verlassen, dass ich trotzdem bei dir und mit dir bin.

Ein Mutmachwort, liebe Gemeinde, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, an den jungen Josua in einer Zeit des Übergangs, in einer Zeit der Entscheidung.

In der letzten Konfirmandenvorbereitung haben wir auch über die Jahreslosung gesprochen: „Jesus Christus spricht: Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig“ (2.Korinter 12,9).
Dabei wurden die Jugendlichen auch gefragt, was sie sich für das neue Jahr wünschen. Ich war völlig verblüfft über das Ergebnis. Mehr als die Hälfte hat unabhängig voneinander geantwortet: „Dass die Welt nicht untergeht.“ Ich hätte mir nicht gedacht, dass diese angebliche Maya-Prophezeiung eine solche Wirkung hat.
Sie dürfen sich nicht wundern, wenn der Gottesdienst am Hl. Abend dieses Jahres etwas lauter wird. Ich habe nämlich mit den Konfirmandinnen und Konfirmanden ausgemacht: Da ja das angebliche Weltende am 21.Dezember stattfinden soll, treffen wir uns am 24.12. und dann dürfen sie so herzhaft lachen, dass die Kirche bebt.

Ein Jahr der Entscheidungen.
Übergänge.
Übergänge sind immer zwiespältig.
Hin und her geworfen zwischen Hoffen und Bangen.
Und in diese Situation, in diese Gedanken und zwiespältigen Gefühle dürfen auch wir die Verheißung, die Zusage Gottes an Josua für uns persönlich hören:
„Siehe, ich habe dir geboten, dass du getrost und unverzagt seist.
Laß dir nicht grauen und entsetze dich nicht; denn der HERR, dein Gott, ist mit dir in allem, was du tun wirst.“

Ein Mutmachwort – für jeden und jede von uns ganz persönlich.
Ich lade Sie aber auch ein, uns das gemeinsam/ gegenseitig zuzusingen – in der textlich leicht veränderten Vertonung der Jesusbruderschaft:
„Siehe, ich habe dir geboten, dass du getrost und freudig seist; darum fürchte dich nicht, ich bin dein Gott.“

Amen.