Evangelisch
Eisenstadt - Neufeld

 

Predigt 1.Petrus 3, 8-17 i.A./ 4.n. Trinitatis/ 1.Juli 2012/ Eisenstadt und Neufeld

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater, und unserm Herrn Jesus Christus!

Liebe Gemeinde!

„Corporate Identity“ ist ein Zauberwort in unseren Tagen. Ein bisschen schwer zu übersetzen, meint es die Identität einer Institution, einer Firma, einer Partei, einer Gemeinschaft ganz allgemein.

Das Eigentliche, das Besondere, das Unverwechselbare – und wie sich das ausdrückt.

Im Erscheinungsbild, im Auftreten nach außen, im Umgang mit Mitarbeitern, in der Werbung, vom Briefpapier bis zum Namensschild der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Firmen haben manchmal eigene Berater, die sie beim Finden dieser „Corporate Identity“ und bei deren Umsetzung unterstützen. Dem Selbstverständnis des Unternehmens und wie es seinen Ausdruck findet.

Großes Ziel dabei ist: Man hört den Namen dieser Firma, dieser Gemeinschaft, sieht das Zeichen, das Logo und weiß, worum es geht, wofür diese Gruppe steht.

Wie schaut das mit der Kirche aus? Gibt es auch etwas Eigentliches, etwas Unverwechselbares in der Kirche, das auch für andere sofort erkennbar ist?

Der Predigtabschnitt für den heutigen 4.Sonntag nach Trinitatis aus 1.Petrus 3 bietet uns dazu eine Hilfe an.

Dort heißt es in V. 8 und 9:

„Seid allesamt gleichgesinnt, mitleidig, brüderlich, barmherzig, demütig. Vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort, sondern segnet vielmehr, weil ihr dazu berufen seid, dass ihr den Segen ererbt.“

Hier geht es um das Verhalten von Christen, die in der Zerstreuung leben, weit voneinander entfernt, im Gebiet der heutigen Türkei.

Das neue Leben durch Jesus Christus, die neue Hoffnung, das wirkt sich auch aus in einem neuen Verhalten, in einem anderen Umgang miteinander.

Es sind Ermahnungen, Ermutigungen für die Gemeinde. Damals wie heute.

  1. Seid gleichgesinnt.

Das heißt nicht, dass alle einer Meinung sein sollen. Dieses Wort, das im Neuen Testament nur einmal und nur hier vorkommt, meint eher: Habt einen gemeinsamen Sinn, zieht an einem Strang, haltet zusammen.

  1. Seid mitleidig.

Bei Luther nicht so ganz klar übersetzt. Weniger um Mitleid geht es, ehr um Mitgefühl. Im Griechischen steht ‚sympatheis‘ – davon kommt die Sympathie im Deutschen … aber die kann manchmal sehr vordergründig sein. Gemeint ist das Wahrnehmen der Situation des anderen … wie es ihm, wie es ihr geht. Mir ist der, die andere nicht egal. Wahrnehmen auch dessen, der am Sonntagvormittag neben mir sitzt.

  1. Brüderlich.

Wir würden heute sagen: geschwisterlich. Was bedeutet das für unser Miteinander, das wir getauft sind, dass wir einen gemeinsamen Familiennamen („Christen“), dass wir miteinander das Hl. Abendmahl feiern?

Solidarität.

  1. Barmherzig

Barmherzigkeit wird in der Bibel zunächst immer in Verbindung mit der Treue Gottes gesehen. Er steht zu seinem Volk, auch wenn dieses oft ausschert.

Ein barmherziger Umgang wird als von der grundsätzlichen Gemeinschaft bestimmt.

Meinungsverschiedenheiten, Fehler gibt es überall – aber sie sind kein Anlass oder sollten kein Anlass sein, den andern fertig oder auch nur schlecht zu machen.

Das Gemeinsame steht im Vordergrund und manche Irritationen erscheinen auf den zweiten Blick soo wesentlich nicht mehr.

Von Albert Camus soll der Satz lauten, den ich für mich oft aufgenommen habe:

„Man soll sich die Grundsätze für die wenige Augenblicke im Leben aufbewahren, in

denen es auf Grundsätze ankommt; für den Rest genügt ein wenig Barmherzigkeit.“

Und schließlich

  1. Demütig.

Kein beliebtes Wort heutzutage und oft mißbraucht.

Demut ist ein altes deutsches Wort. Es kommt von dem Wort „muot“ in der wörtlichen Bedeutung von „Gesinnung“. So wie in Sanftmut, in Langmut, in Wehmut und nicht wenigen anderen Wortverbindungen. Und der Mut schwingt immer ein bisschen mit.

Das althochdeutsche Wort „diomouti“ bedeutet also so viel wie „Dien-Gesinnung“.

Diese soll also ein Ausdruck der „Corporate Identy“ einer christlichen Gemeinde sein, etwas, woran man sie erkennt. Eindeutig und unverwechselbar.

Aber nicht als etwas, was man anderen als Gebot und Aufforderung vorzuhalten hätte, sondern immer als Einladung und Ermutigen für jeden einzelnen persönlich.

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Einen breiten Raum nehmen in der Folge unseres Predigtabschnittes die Zunge und die Lippen ein, wobei Psalm 34 zitiert wird.

Das ist ein hoch interessantes und gerade in unserer Gemeinde brisantes Thema: Überlegt euch, was ihr über andere sagt, redet nicht schlecht übereinander. Und dazu die Auslegung von Martin Luther zum 8.Gebot im Kleinen Katechismus, nachzulesen auch im Gesangbuch.

Aber das würde den Rahmen heute sprengen, das wäre eine eigene Predigt.

Darum springe ich weiter, von dieser Lebensweisheit, die zu beherzigen uns alle nicht schaden dürfte: Vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort,

Sondern?

Zunächst zu V.15:

„Seid allezeit bereit zur Verantwortung vor jedermann, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist, und das mit Sanftmut und Gottesfurcht..“

War bis jetzt vom Innenleben einer Gemeinde die Rede, wie man miteinander umgeht, so geht jetzt der Blick nach außen.

Wenn die Leute euch fragen, dann gebt ihnen Antwort. Offen und ehrlich und erhobenen Hauptes.

Wenn die Leute euch fragen, warum ihr mit Hoffnung erfüllt seid, warum ihr nicht nur egoistisch euren eigenen Interessen frönt, sondern dem Nächsten und damit auch Gott dienen wollt … warum ihr immer noch glaubt, warum ihr euch immer noch zur Kirche haltet, dann gebt ihnen Antwort. Freundlich aber bestimmt. Oder wie es im 1.Petrusbrief heißt: „mit Snftmut und Gottesfurcht“.

Und das führt uns unweigerlich zu einem ganz wesentlichen Punkt christlicher Theologie, der in der evangelischen Kirche besonders ausgeprägt ist:

Kirche sind wir alle. Nicht nur der Pfarrer,, die Religionslehrerinnen, die Presbyter und Gemeindevertreter.

Kirche sind wir alle. Und so wie wir sind, erscheint die Kirche nach außen. So freundlich, so menschlich, so fehlerhaft, so distanziert, so überzeugt und so überzeugend.

„Corporate identity“

Wie schaut das mit der Kirche aus? Gibt es auch etwas Eigentliches, etwas Unverwechselbares in der Kirche, das auch für andere sofort erkennbar ist?

  1. Seid gleichgesinnt
  2. Seid mitfühlen
  3. Geschwisterlich
  4. Barmherzig
  5. Demütig

Wenn man von der Kirche redet, von unserer Gemeinde – ob man auch davon redet?

Eines habe ich noch vergessen bei diesen Ermahnungen, diesen Ermutigungen für eine christliche Geminde.

Was folgt nach dem Hinweis auf die Gefahr der Zungen und der Lippen?

Vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort…

Sondern???

„sondern segnet vielmehr, weil ihr dazu berufen seid, dass ihr den Segen ererbt.“

Einander segnen, als alternative Umgangsform von Christinnen und Christen …

Überraschend, ungewohnt, aber vielleicht ein interessanter Beitrag zur „corporate identity“ einer christlichen Gemeinde.

SEGNEN, einander segnen, als geschwisterliche Umgangsform – vielleicht fällt dem einen oder der anderen über den Sommer etwas dazu ein.

Amen.