Evangelisch
Eisenstadt - Neufeld

Predigt Hl. Abend 2012: Hesekiel 37, 24-28 "Jetzt mischt sich die Kirche auch schon in Weihnachten ein"

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater, und unserm Herrn Jesus Christus!

Liebe Gemeinde!

„Warum wir heuer vielleicht noch Weihnachten feiern“ – das war der damals etwas provokante Titel eines Vortrags, den der deutsche Wissenschaftsjournalist Bernd Harder im Juni hier in der Kirche gehalten hat, im Rahmen der Evangelischen Akademie Eisenstadt.

Untertitel „Der Maya-Kalender und der Weltuntergang“. Er hat damals auf fundierte und auch recht humorvoll-ironische Weise dargelegt, dass an diesen Schreckensszenarien wenig dran ist und dass es vor allem ums Geschäftemachen geht.

Nun ist dieses Thema schon ziemlich „abgelutscht“. Ja, ein Kapitel des alten Kalenders ist am 21.Dezember zu Ende gegangen, ein neues aufgeschlagen.

So wie wir am 31.Dezember dieses Jahres den alten Kalender von der Wand nehmen und am Neujahrstag den für 2013 aufhängen, nur in einem größeren Zeithorizont.

Übriggeblieben ist, wie vorausgesagt, die Geschäftemacherei. Vom Maya-Kalender hat man zuletzt nur in der Elektronikwerbung gehört und von Einladungen in Restaurants und Discos.

Wir haben also auch diesen Weltuntergang wie unzählige frühere vorhergesagte heil überstanden.

Wenn auch die leise Mahnung der Jahreslosung für das nächste Jahr bleibt: „Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir“ (Hebräer 13,14).

Eine zweite, etwas tiefergehende Frage: „Warum mischt sich die Kirche jetzt auch schon in Weihnachten ein?“

Eine Kollegin von mir war am Beginn der Adventzeit in einem Blumengeschäft und wurde Zeugin eines Gesprächs. Eine Frau fragte, warum denn dieser Adventkranz drei violette und eine rosa Kerze hätte. Die Verkäuferin war völlig überfordert. Da griff die Kollegin, eine römisch-katholische Religionslehrerin, höflich und hilfreich ins Gespräch ein und erklärte den Damen, dass der Adventkranz zwar eine evangelische Erfindung sei, aber das mit den Kerzen ein katholischer Brauch: Drei violette als Zeichen der Buße und der Besinnung und eine rosa für den 3.Adventsonntag als Zeichen der Freude. „Gaudete“ „Freuet euch“.

Worauf die Verkäuferin ganz verwundert den Kopf schüttelte und meinte: „Jetzt mischt sich die Kirche auch schon in den Advent ein.“

Eine interessante Frage, die im Blick auf so manche Advent- und Weihnachtsbräuche und – feiern gar nicht so unrealistisch ist:

Warum mischt sich die Kirche jetzt auch schon in Advent und in Weihnachten ein?“

Ich lese den Predigtabschnitt aus dem Buch des Propheten Hesekiel, aus dem 37.Kapitel, die Verse 24 ff:

„So spricht Gott der Herr über sein Volk:

Mein Knecht David soll ihr König sein und der einzige Hirte für sie alle. Und sie sollen wandeln in meinen Rechten und meine Gebote halten und danach tun...

Und ich will mit ihnen einen Bund des Friedens schließen, der soll ein ewiger Bund mit ihnen sein ...

Ich will unter ihnen wohnen und will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein ...“

Herr, wir bitten Dich, dass Du dieses Wort des Propheten an uns segnest und Dein Geist unsere Herzen anrührt.

Da werden so manche Bräuche und Feiern einfach auf den Kopf gestellt.

Denn Weihnachten hängt nicht von uns ab, sondern Weihnachten kommt auf uns zu.

Gott sagt: Ich will unter ihnen wohnen und will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein ..“

Normalerweise geht es ja andersherum.. Was wünscht du dir zu Weihnachten .. was habt ihr vor über die Feiertage ... Verwandtenbesuche oder Kurzurlaub oder auch alleine zu Hause ... wir machen unsere Pläne, wir haben unsere Wünsche und Vorstellungen ... und von manchen dieser Wünsche wissen wir ja, oder ahnen es, dass sie bald schön eingepackt unter dem Christbaum liegen werden ...

Hier geht es andersrum: Gott sagt, was Er sich unter Weihnachten vorstellt ... Erstaunlich genug, dass der allmächtige Gott, oft so unnahbar und ferne, sein Schweigen bricht – Geheimnis der Hl. Schrift ... Er sagt, was Er möchte, was Er mit seinen Menschen vorhat ...

Mein Knecht David soll ihr König sein und der einzige Hirte für sie alle...

Mit dem Knecht David ist der Messias gemeint, der Christus (Messias und Christus ist übrigens das gleiche Wort, nur einmal auf hebräisch und einmal auf griechisch – beides bedeutet auf deutsch „Der Gesalbte“) ... und dieser Christus kommt zu uns in diesem kleinen Kind .. das feiern wir zu Weihnachten ...

Und der soll der König sein ... der regiert, der das Sagen hat ...

Der soll der einzige Hirte sein ... der uns den Weg zeigt, der uns dorthin führt, wo die Brunnen des Lebens sind, aus denen wir trinken ... weil wir Durstige sind, voller Sehnsucht nach Leben, nach erfülltem Leben ...

Er, Christus, soll der einzige Hirte sein, der uns dorthin führt, wo der Durst unseres Lebens gestillt wird, wo wir das bekommen, was wir brauchen zum Leben an Leib und Seele...

Viele von Ihnen haben den 23.Psalm gelernt: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln .. er weidet mich auf grüner Aue und führet mich zum frischen Wasser ... Er erquicket meine Seele. Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen ... und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, so fürchte ich kein Unglück ... denn du bist bei mir ...

Er, Christus, soll unser einziger Hirte sein ... das ist Gottes Vorstellung von seiner Beziehung zu uns ...

Und gleichzeitig – natürlich – auch die Frage an uns und wie wir Weihnachten feiern ... wovon erwarten wir die Erfüllung des Festes ... von den Geschenken, vom lange vorbereiteten Essen ... vom Miteinander der Familie (vergessen wir nicht, dass das beileibe nicht für alle unter uns gilt) ... wovon erwarten wir die Erfüllung des Festesvom Drumherum oder vom Wesentlichen ...

Und das Wesentliche, sagt Gott uns heute Nachmittag wieder deutlich, das ist:

Ich will unter ihnen wohnen und will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein ...“

Hinter den Geschenken und danach, hinter Ochs und Esel, Stall und Krippe, hinter unseren Wünschen und Plänen steht Gottes Vorstellung von Weihnachten, seine Verheißung:

Ich will unter ihnen wohnen und will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein ...“

Gott nimmt Wohnung unter uns Menschen, - unter denen, die immer wieder ein zerschundenes, zerschlagenes Herz und einen zermürbten Sinn haben und kaum noch Gutes zu erhoffen wagen. Er nimmt Wohnung bei denen, die am Verzweifeln sind oder schon der Verzweiflung anheim gefallen. Er will auch Wohnung nehmen bei denen, die ihn zynisch herausfordern oder ihn – anklagend oder resignierend – ablehnen. Er will besonders zu denen kommen, die traurig sind, weil sie in der letzten Zeit einen lieben Menschen verloren haben. Gott nimmt Wohnung bei den Menschen – bei denen, die ihn erwarten, die von ihm alles erwarten und sich nicht mit Vordergründigem abspeisen lassen.

 

 

Bei ihnen allen will Gott Wohnung nehmen, unabhängig von ihrem Verhalten, unabhängig von ihrem Recht – oder Unrecht-Tun. Eine Botschaft mit Sprengkraft!

Liebe Gemeinde, es ist nicht so, dass unsre Zeit zu hektisch, zu ruhelos, vielleicht auch zu oberflächlich wäre, zu voll mit Problemen, um Weihnachten richtig zu feiern ...

Sondern gerade weil das so ist, hat Gott es Weihnachten werden lassen .. und lässt er es auch heuer wieder Weihnachten werden ...

„Gott will im Dunkel wohnen/ und hat es doch erhellt“ heißt es in einem Adventlied von Jochen Klepper (EG 16) am Schluß ...

und am Anfang:

„Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern.

So sei nun Lob gesungen / dem hellen Morgenstern!

Auch wer zur Nacht geweinet, der stimme froh mit ein.

Der Morgenstern bescheinet / auch deine Angst und Pein“

Gott wartet nicht, bis alles stimmungsvoll genug ist ... in uns und um uns herum .. bis unsere Vorfreude groß genug ist ... bis unsere Herzen würdig genug sind, um den Heiland zu empfangen ...

Gott wartet nicht, bis die Zimmer unseres Lebens so schön aufgeräumt sind, dass er sich wohl darin fühlen kann .. sondern Er sagt, er kommt ... Er möchte zu uns kommen, zu jedem, zu jeder von uns ... einfach, weil wir Ihn nötig haben, weil wir Ihn brauchen ...

Weihnachten heißt nicht, wir müssen Gott eine heile Welt vorspielen, fried- und stimmungsvoll, sondern: Gott kommt in unsere Welt, so wie sie ist ... kommt zu uns, so wie wir sind ... und vor Ihm brauchen wir nichts verstecken .. Er kennt uns sowieso bis ins Innerste ... auch dort, wo wir oft gar nicht gerne möchten, dass einer reinschauen kann ...

„Gott will im Dunkel wohnen/ und hat es doch erhellt

Ich will unter ihnen wohnen und will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein ...“

Sie sollen mein Volk sein ... schließlich tragen wir als Christinnen und Christen auch den Namen Christi ... sollen Ihn mit Ehren tragen und so leben, dass sich Gott darüber freut und andere Menschen dadurch in ihrem Leben wenigstens ein wenig ermutigt werden ...

Weihnachten hängt nicht von uns ab, sondern kommt auf uns zu .. Darum findet es auch statt, wenn kein Schnee liegt, wenn es draußen regnen sollte und sich in uns die Stimmung nicht so recht einstellen möchte, die wir mit dem Fest verbinden ...

Und darum lade ich Sie ein, ganz einfach mitzubeten an diesem Hl. Abend:

Gott, Du sagst, dass Du zu uns kommen willst ... Komm auch zu mir ... in meine Freude und meine Traurigkeit .. in meine Hoffnung und meine Enttäuschung .. in das, was mich glücklich macht und das, was mich bedrückt ..

Komm zu uns, auch wenn wir mit manchen Dingen nicht fertig werden .. grade dann, grade deswegen ..

Weihnachten, sagt Gott, das heißt: Ich will wohnen bei euch. Ich will mitten unter euch wohnen und bei euch sein durch meinen Sohn Jesus Christus.

Das wünsche ich Ihnen heute am Hl. Abend: ein Weihnachtsfest hier und zu Hause, bei dem auch viele Ihrer Hoffnungen und Wünsche in Erfüllung gehen, aber bei dem Jesus das Wichtigste ist ...

Ein Weihnachtsfest, bei dem auch gesungen, gebetet, ein Wort der Hl. Schrift gelesen wird (das Weihnachtsevangelium steht in Lukas 2) ...

Ein Weihnachtsfest, bei dem Jesus der Wichtigste ist, weil sonst das Wichtigste fehlt.

Amen.