Evangelisch
Eisenstadt - Neufeld

Predigt Invokavit: Lukas 22, 31-34 (17.2.2013 Eisenstadt)

„Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre.“

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus!

Liebe Gemeinde!

Unser Predigttext am Sonntag Invokavit, dem ersten Sonntag in der Passions- oder Fastenzeit, führt uns aus dem gepflegten Wohnzimmer des christlichen Glaubens in ein Hinterzimmer. Vom Wohnzimmer, in dem schön aufgeräumt ist und Gäste empfangen werden, wo Bibel und Gesangbuch sichtbar Ausdruck vom Glauben geben – in ein Hinterzimmer, in dem es ans Eingemachte geht.

Obwohl, eigentlich war es ja schon ein sehr repräsentativer Raum, in dem Jesus und seine Freunde zum letzten Mal beieinander waren, um miteinander das Passahmahl zu essen, zum letzten Mal am Vorabend seines Todes.

Ein großer Saal, der mit Polstern versehen war, so lesen wir am Anfang dieses dichten 22.Kapitels bei Lukas (V.12).

Aber was dort passiert und geredet wird, das führt uns in die Tiefen des Glaubens, ja nahe an seine Abgründe.

Sie feiern miteinander das letzte Passahmahl, aus dem dann unser christliches Abendmahl entwachsen ist .. aber das ist heute nicht das Thema.

Was machen die Jünger anschließend ... freuen sie sich darüber, dass sie so enge Gemeinschaft mit ihrem Herrn haben ... ist ihr Herz voller Trauer, weil die Stimmung des Abschieds über dieser Stunde liegt, obwohl sie sie eigentlich noch nicht recht begreifen ...

Nein, sie fangen an zu diskutieren .. worüber ... raten sie mal.....

Darüber auch, wer es denn von ihnen sein würde, der ihn verraten würde ..

Aber dann: „Es erhob sich auch ein Streit unter ihnen, wer von ihnen als der Größte gelten sollte..“ (V.24) .. ist das nicht immer wieder so typisch, so typisch menschlich, auch so typisch christlich ....

Wer ist der Größte, die Beste, der Frömmste, die Eifrigste ... nicht einmal so offensichtlich wie bei den Jüngern, das geht auch viel subtiler.

Jesus mischt sich dann ein und sagt ihnen, dass es im Glauben anders zugeht wie in der Welt, dass es dabei um Dienen geht und nicht um Herrschen .. auch das wäre ein eigenes Thema, ist aber für den Zusammenhang unseres Predigttextes wichtig....

Er redet von den Anfechtungen, die sie mit ihm ausgehalten haben und dann kommen die dichten Verse 31-34:

31 Simon, Simon, siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen.

32 Ich aber habe für dich gebeten, daß dein Glaube nicht aufhöre. Und wenn du dereinst dich bekehrst, so stärke deine Brüder.

33 Er aber sprach zu ihm: Herr, ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis und in den Tod zu gehen. 34 Er aber sprach: Petrus, ich sage dir: Der Hahn wird heute nicht krähen, ehe du dreimal geleugnet hast, daß du mich kennst.

 

Ein Wort aus dem Munde Jesu: „Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre....“

Dein Glaube.... Mein Glaube... Was hat es auf sich mit unserem Glauben? Wie ist es eigentlich dazu gekommen, dass wir „glauben“.

Kindergottesdienst.. Eltern .. die Geschichten der Großmutter.... die Lehrerin im Religionsunterricht, die die ersten Erzählungen von Jesus so anschaulich vor Augen gemalt hat..

Wie ist es dazu gekommen, dass wir angefangen haben zu glauben .. Religiöse Sozialisation heißt eines meiner Seminare dazu an der Pädagogischen Hochschule.

Kleine Schritte.... Hineinwachsen .. immer mehr .. Oder ein starkes Erlebnis .. eine Bekehrung wie bei Paulus....

Unser Glaube hat einen Anfang ... oder viele kleine Anfänge .. Und manchmal Brüche .... wie aus dem Kinderglauben ein Erwachsenenglauben wird.

„Lieber Gott, mach mich fromm, dass ich in den Himmel komm“ ... kindliche Abendgebete, die später vielleicht nicht mehr so nahe dem Herzen sind... Pubertät und viele Fragen .. Beruf und Familie ....

Wie ist es mit dem Glauben der Erwachsenen .. reifer? bewusster? enttäuschter? abgeklärter? Oder dann doch wieder der alte Kinderglaube auf einer anderen Ebene?

Glaube, gestählt durch Erfahrungen des Lebens ... oder sensibel gemacht?

 

Und dann sagt Jesus: „Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre....“

Ja, besteht denn die Gefahr, dass unser Glaube .. mit all den Anfängen und Entwicklungen und Brüchen .. aufhören könnte....

Wenn die Gefahr nicht bestünde, hätte Jesus es wohl nicht gesagt ...

„Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre....“

 

Das ist das erste, was wir hören aus diesen Worten Jesu: Unser Glaube ist ein gefährdeter....

Gesprochen in der Dichte dieses Gründonnerstag-Abends, die wir am Anfang versucht haben, etwas zu beschreiben.

Da wendet sich Jesus mit einem Bild seelsorgerlich an Petrus und bereitet ihn auf die kommende Krisenzeit vor: „Simon, der Satan hat gebeten, euch durcheinander zu rütteln, wie auf einem Sieb.“

Der Pfarrer und Dichter Paul Gerhardt hat uns viele der tiefsten Glaubenslieder des Gesangbuches geschenkt. In den letzten Jahren war er in Lübben tätig, wo er auch gestorben ist.

Er hat ein schweres Los zu bewältigen gehabt, auch wenn man es seinen Liedern nicht immer abspürt. Im Umfeld des 30jährigen Krieges, in schwierigen kirchlichen Zeiten, aber auch durch den Tod in der Familie.

Unter seinem Bild in der Kirche zu Lübben steht – wohl auch als Teil seines biblisch orientierten Selbstverständnisses … und wir hören Worte unseres Predigtabschnittes: 'Theologus in cribro Satanae versatus' ('Ein Theologe, in Satans Sieb um und um gewendet')"

(Zitat: Gottfried Voigt, Die bessere Gerechtigkeit, 143).

„Durcheinander gerüttelt wie auf einem Sieb“ so mögen viele ihre persönliche Lebenssituation empfinden.

Es kann zu Situationen in unserem Leben kommen, die wir nicht verstehen und in denen wir völlig überrumpelt werden.

Während der Vorbereitung zu dieser Predigt hat jemand zu mir gesagt: „Es ist so, als ob alles zusammenbricht, was wir uns so mühsam aufgebaut haben.“ Und es dürfte manche von ihnen nicht verwundern, dass uns eine solche Erfahrung in den letzten Monaten auch persönlich nicht fremd geblieben ist.

„Durcheinander gerüttelt wie auf einem Sieb“.

In diesem Bild können sich wahrscheinlich viele von uns in ganz unterschiedlicher Weise wieder erkennen. Bittere Erfahrungen, schmerzhafte persönliche Krisen, aus denen keiner unverändert herausgeht.

Unser Glaube ist ein gefährdeter, immer...

Und wenn immer alles klappt, wenn immer alles läuft, wenn jemand einen starken Glauben hat, der allen Anfechtungen trotzt .. es sei ihm gegönnt, solange er ihn nicht als Vorwurf gegen andere vor sich her trägt....

Unser Glaube ist ein bedrohter Glaube ... sagt zumindest Jesus

Schauen wir noch einmal auf Petrus. Er war oft der Wortführer der Jünger. Ein Fischer, ein gestandener Mann ... vielleicht mit einem kleinen Hang zu großen Worten ....

Ich bleibe bei dir. Jesus. Ganz sicher. Wenn alle dich verlassen, ich bin da. Auf meinen Glauben, auf mich ist Verlass! „Herr, ich bin bereit mit dir ins Gefängnis und in den Tod zu gehen!“

Sie wissen, wie die Geschichte weitergeht: Petrus, der Hahn wird nicht krähen, ehe du mich dreimal verleugnet hast.

Der Glaube, auf den Verlass ist.. Und der Hahn.... Der Hahn auf so vielen Kirchtürmen, vielleicht auch als Warnung, dass wir uns auf unseren Glauben nicht zu viel einbilden sollten.

Mein Glaube. Betonung auf MEIN. Auf meinen Glauben ist Verlass. Meinte Petrus.

Und wenig später, am Feuer im Hofe des Hohepriesters in einer kalten Nacht, mitten unter den Knechten und Mägden .. vielleicht sollte man manchmal besser darauf achten, an welchen Feuern man sich die Hände wärmt ..... Die Frage: Du gehörst doch auch zu ihm.....

Nein ... dreimal Nein... und dann der Hahn .... auf so vielen Kirchtürmen (eine Warnung?) ... und Jesus sah Petrus von ferne traurig an ... nicht mehr .. nur ein trauriger Blick ....

Und dann heißt es nur ganz einfach: „Und Petrus ging hinaus und weinte bitterlich“...

Der Fischer, der gestandene Mann, auf dessen Glaube Verlass sein sollte .. ging hinaus und weinte bitterlich ....

Sind wir so viel besser als Petrus, so viel stärker? Es ist eine Warnung, immer wieder, uns nicht zu viel auf unsere Kraft, auf unseren Glauben einzubilden. Dankbarkeit ja, für all die Anfänge und Entwicklungen und auch Brüche... Aber nichts darauf einbilden ....

Über allem steht immer wieder die Barmherzigkeit

Der Hahn auf dem Kirchturm.....

Unsere Erfahrungen mit uns selber, mit anderen ..

Unser Glaube ist ein gefährdeter, immer...

Und dann dieser einfache Satz, der mich immer mehr berührt hat, je länger ich über ihn nachgedacht habe: „Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre....“

Jesus selber, am Abend vor seinem Tod, sagt das zu einem seiner engsten Weggefährten. Was kann uns Besseres passieren, was kann tiefer greifen als dieses Gebet Jesu: Ich bin bei dir, ich lass dich nicht allein.

Wenn einer krank ist ... sich zu schwach fühlt, um mit den Anforderungen des Lebens zurechtzukommen ... wenn feste Mauern wie Kartenhäuser zusammenbrechen ...

Ich habe in den Wochen der Kur der letzten Wochen auch viele Menschen kennengelernt, die gerade unter dieser Schwachheit gelitten haben. Depressionen z.B. sind viel weiter verbreitet als oft angenommen. Und da fehlt oft die Kraft für die einfachsten Dinge, die Gesunden völlig selbstverständlich erscheinen.

Dein Glaube mag schwach sein. Aber: „Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre....“

Zum Apostel Paulus hat er gesagt: Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig" (2. Korinther 12, 7 - 9a) – die Jahreslosung des vergangenen Jahres.

Zum Schluss unseres Abschnitts sagt Jesus zu Simon (Petrus) auch noch: Du bist Kephas (auf griechisch: Fels, so wie Petrus), auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen.

Wir denken am Sonntag Invokavit auch an Martin Luther. Er hat einen solchen Petrusdienst an seinen Geschwistern seinerzeit der Gemeinde in Wittenberg getan, als er unter Einsatz seines Lebens von der Wartburg in die Stadt ging, um dort dem Chaos Einhalt zu gebieten und die Gemeinde zu stärken mit der Verkündigung des Wortes Gottes, den berühmten Invokavit Predigten 1522 – sie zählen zu den wesentlichen theologischen Aussagen Luthers. „Non vi, sed verbo“. Nicht mit Gewalt, sondern durch die Kraft des Wortes.

"Stärke deine Brüder."
Gerade Petrus wird dies an jenem Abend besonders zugesprochen.

Aber machen wir nicht immer wieder die Erfahrung, auch in viel kleineren Dingen, dass Menschen, die durch Krisen gegangen sind, andere besonders gut trösten können?

Dass Menschen, die die Gefährdung ihre Glaubens verstanden und erlebt haben, andere in ihrer Gefährdung besonders gut verstehen können?

Mit solchen Menschen, natürlich auch mit großen Gestalten wie Petrus und Luther, aber mit solchen Menschen, auf solche Christinnen und Christen will Gott seine Gemeinde bauen...

Am Beginn der Passionszeit werden wir an die Tiefen unseres Glaubens erinnert. An die schweren Tiefen und an die schönen Tiefen ...

Unser Glaube ist ein gefährdeter, immer...

Aber Jesus hat dafür gebeten, dass unser Glaube nicht aufhöre!

Und vielleicht auch: Stärke deine Brüder .. und Schwestern.

Amen.