Evangelisch
Eisenstadt - Neufeld

Predigt Ostersonntag, 31.März 2013: Johannes 20, 10-18

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus.

(Lektorin)

Da gingen die Jünger wieder heim.

Maria stand draußen vor dem Grab und weinte.

Als sie nun weinte, schaute sie in das Grab und sieht zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, einen zu Häupten und den andern zu den Füßen, wo sie den Leichnam Jesu hingelegt hatten.

Und die sprachen zu ihr: Frau, was weinst du?

Sie spricht zu ihnen: Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben.

Und als sie das sagte, wandte sie sich um und sieht Jesus stehen und weiß nicht, dass es Jesus ist.

Spricht Jesus zu ihr: Frau, was weinst du? Wen suchst du?

Sie meint, es sei der Gärtner, und spricht zu ihm: Herr, hast du ihn weggetragen, so sage mir, wo du ihn hingelegt hast; dann will ich ihn holen.

Spricht Jesus zu ihr: Maria!

Da wandte sie sich um und spricht zu ihm auf hebräisch: Rabbuni!,

das heißt: Meister!

Spricht Jesus zu ihr: Rühre mich nicht an! Denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater. Geh aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.

Maria von Magdala geht und verkündigt den Jüngern: Ich habe den Herrn gesehen, und das hat er zu mir gesagt.

Herr, segne unser Reden und Hören durch deinen Heiligen Geist. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder!

Da gingen die Jünger wieder heim … Denn sie verstanden die Schrift noch nicht …

Maria Magdalena am Auferstehungsmorgen alleine vor dem Grab.

Ein leises Evangelium.

Hier finden wir keine lauten Töne. Keinen Auferstehungsjubel. Nicht Osterglocken, den vollen Klang der Orgel, schon gar nicht die Böllerschüsse, wie sie in meiner Jugend in der Obersteiermark am frühen Ostermorgen Brauch waren.

Unser Evangelium nach Johannes zeichnet in leisen Tönen die Begegnung einer verzweifelten Jüngerin mit ihrem auferstandenen Herrn.

 

Verzweiflung und Liebe

Tränen am Grab.

Maria war als einzige zurückgeblieben.

Am frühen Sonntagmorgen, es ist noch dunkel, kommen drei Frauen zum Grab Jesu, wollen seinen Leichnam salben – und finden das Grab leer.

Sie laufen in die Stadt, holen die Jünger. Petrus und Johannes rennen um die Wette – und sehen es auch: Das leere Grab … die Leinentücher …

Kommentar des Evangelisten dazu: „Aber sie verstanden die Schrift noch nicht, dass er von den Toten auferstehen müsste. Da gingen die Jünger wieder heim.“

Maria war als einzige zurückgeblieben am Grab -

Maria aus Magdala, einem kleinen Ort in der Nähe des Sees Genezareth.

Alleine mit sich und ihrer Trauer.

Maria aus Magdala. Maria Magdalena.

Kaum eine Person der biblischen Zeit ist so mißverstanden worden wie sie, so oft zitiert in den unterschiedlichsten Zusammenhängen. Hat die Fantasien von Theologen und Künstlern über Jahrhunderte beschäftigt. Ich möchte das jetzt nicht aufwärmen, was ich vor einiger Zeit ausführlich behandelt habe. Maria Magdalena verknüpft mit der Sünderin aus Lk. 7, die Jesus die Füße gesalbt hat. „Jesus Christ Superstar“ mit dem Bild der Freundin von Jesus, dutzende Bücher und Dan Browns waghalsige, an den Haaren herbeigezogenen Theorien in seinem Buch „Sakrileg“.

Wer sich fundiert mit dem Thema auseinandersetzen will, sei immer noch verwiesen auf das Buch von Susanne Heine „Frauen der frühen Christenheit.“

Auch wenn ich für heute diese Wirkungsgeschichten und Fantasien beiseite lasse, ganz haben mich die Deutungen dieses Evangeliums in der Kirchengeschichte nicht losgelassen.

Maria von Magdala am Grab. Alleine mit sich und ihrer Trauer.

Zwei Reformatoren haben diesen Abschnitt aus dem Evangelium völlig unterschiedlich, ja gegensätzlich gedeutet.

Calvin, der Schweizer Reformator, hat gemeint: Die Jünger wären voll Trost und Gewißheit heimgekehrt, aber Maria habe sich (Zitat) „leerem und überflüssigem Weinen“ hingegeben.

Luther zeichnet ein etwas anderes Bild, das meinem Empfinden näher kommt.

In dieser Stunde, in der die Gegner triumphieren, in der die Gemeinde sich zerstreut und die Jünger sich fürchten …

In dieser Stunde steht Maria Magdalena alleine am Grab und tut das, was eigentlich alle Welt tun müßte:

Sie trauert. Sie weint. Sie kann einfach nicht glauben, dass alles aus ist. Dazu hat sie Jesus, ihren Herrn, zu sehr geliebt.

Und jetzt ist auch noch der Leichnam weg. Nicht einmal soviel hat man ihr gelassen, den Toten zu salben, ihm den letzten Liebesdienst zu erweisen.

Maria aus Magdala – vezweifelt am leeren Grab.

Luther, noch einmal und etwas ausführlicher, gerät bei der Beschreibung dieser Szene, die auch mich sehr berührt, sozusagen in Fahrt, er fängt selber Feuer.

Ich zitiere sinngemäß, weil das Luther-Deutsch des 16.Jahrhunderts sonst vielleicht beim ersten Hören etwas schwer zu verstehen ist.

Diese Maria ist uns nun ein feines Vorbild zum Christlichen Exempel (also Beispiel), darum hats der Evangelist auch so fleissig wollen schreiben, damit wir, die es lesen oder hören, auch ein wenig hitz scheppfeten (hitze schöpften) von dem Feuer, das in der lieben Magdalena brennt und steckt.

Kurz: Damit wir selber Feuer fangen.

Und weiter Luther: Denn ihr seht, dass ihr Herz gar entbrannt ist, dass sie daher geht aus lauter Liebe („fur lauter Lieb“) zu dem Herrn Christo, als wäre sie toll und töricht …

O dass wir auch ein solch Herz sollten haben, so wollten wir wohl andere leut sein …

Aber wir bleiben immer gleich, heut kalt, morgen viel kälter und sind also heillose, verdrossene Leut.

Soweit Luther. Dieses Evangelium, meint er, ist dazu geschrieben, dass wir beim Lesen und Hören und wohl auch beim Predigen „hitz scheppfeten“, Feuer fangen, dass unsere eigene Liebe sich daran entzündet, neu entzündet.

Ich denke, man spürt es diesem Abschnitt der Heiligen Schrift auch ab: Hier sind keine lauten Töne, keine Ostertriumphe, keine Böllerschüsse …

Sehr leise malen diese Zeilen die Begegnung einer verzagten Jüngerin mit ihrem verloren geglaubten Herrn – wohl einer der besonders sensiblen Abschnitte des Neuen Testaments.

Noch einmal: Ich könnte hier einen Abschnitt einfügen über die wichtige Rolle der Frauen in der Bibel, als erste Zeuginnen der Auferstehung, über Lydia, die erste namentlich bekannte Christin in Europa – kreuz&quer hat am Dienstag eine Dokumentation dazu gebracht …

Ich bleibe bei diesem Bild.

Maria aus Magdala alleine am Grab. Verzweifelt, mit Tränen in den Augen.

Wer Ohren hat zu hören, der höre …

Wer ein G’fühl hat, zu spüren, der spüre …

… was Ostern, was Auferstehung hier für einen Menschen bedeuten kann. Und auch für andere bedeuten könnte .. für mich, für euch …

Freilich, Verzweiflung kann auch blind machen. Trauer kann den Blick trüben. Der Wunsch, die Erinnerung zu pflegen, kann der Begegnung mit dem Lebendigen im Weg stehen.

Bis zu dem Augenblick, in dem Jesus nur eines sagt. Ihren Namen. „Maria“, hebräisch „Mirjam“.

Da dreht sie sich um und sagt „Rabbuni“ – mein Meister.

Manche Predigten und Andachten bleiben im Herzen hängen, es sind nicht viele. Eine davon ist die einer Mitstudentin vor wohl 35 Jahren über eben dieses Evangelium.

Sie hat erzählt, ganz persönlich, von sich selber. Von ihrer Verzweiflung, ihren Tränen am Morgen.

Von dem Gefühl, allein zu sein. – Der, an den sie so sehr glauben möchte, ist weit weg, nicht zu sehen, nicht zu spüren …

Kennen Sie dieses Gefühl? Beten ohne Antwort, Bibellesen – aber die Worte bleiben kalt und stumm, Glaubenwollen – aber da ist keine Kraft?

Die Erwartung in einem Gottesdienst – aber gibt einem nichts?

Die Mitstudentin hat weiter erzählt: Ich habe mich so alleine gefühlt … und habe vor lauter Tränen nicht gesehen, dass er ja hinter mir steht … war blind für seine Gegenwart …

Bis zu dem Augenblick, in dem Jesus nur eines gesagt hat: meinen Namen.

Da fiele es mir wie Schuppen von den Augen und von der Seele.

Ich habe mich umgedreht.

Nun hat mein Auge ihn gesehen.

Nur ein Wort. Nur meinen Namen. Maria. Mirjam.

Und wer mag, setze seinen eigenen Namen ein …

Das sind Begegnungen, die uns nicht kalt lassen, die die Seele berühren, die uns manchmal verändern von innen heraus …

Ähnlich war die Geschichte mit Thomas, der gemeinhin der Ungläubige genannt wird, weil er die Geschichte mit dem auferstandenen Jesus nicht geglaubt hat, weil er nicht dabei war. Manchmal ist es auch ein Nachteil, wenn man nicht dabei war … das gilt auch für Veranstaltungen, Glaubensseminare und Gottesdienste … man tut sich manchmal etwas schwerer … aber das ist nicht das Thema, nur ein sidestep …

Beide, Maria aus Magdala und Thomas, die verzweifelte Jüngerin und der zweifelnde Jünger, werden von Jesus persönlich angesprochen, herausgerufen aus ihrer Not.

Und beide antworten mit einem Bekenntnis: „Rabbuni, mein Herr und mein Gott.“

Oder Petrus, dem Jesus dreimal die Frage stellt: „Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb?“ – so holt er ihn wieder zurück nach der dreimaligen Verleugnung, holt ihn zurück aus der Enttäuschung über sich selber, aus der Verzweiflung.

Ich weiß nicht, wie weit sie sich ein Stück wiederfinden in diesen Bildern, in diesen Personen.

Aus ihrer Verzweiflung heraus ruft Jesus Maria aus Magdala in die Freude der Auferstehung, in die neue Begegnung mit IHM.

Aus seinem Zweifel heraus wird Thomas zum Glauben ermutigt, eröffnet Jesus ihm den Weg des Vertrauens.

Aus der Enttäuschung über sich selber und seine Verleugnung wird Petrus gerufen in die Verantwortung für die entstehende Gemeinde.

Aus Mittelmaß, Frust, Enttäuschung, Gewohnheit (sie erinnern sich: Luther, heute kalt, morgen kälter) ruft Jesus uns zur Leidenschaft des Glaubens.

O dass wir auch ein solch Herz sollten haben, so wollten wir wohl andere leut sein …

Auf dass wir hitz scheppfeten … Feuer fangen, uns neu entzünden lassen für Gott und auch für diese Gemeinde mit all ihren schmerzlich empfundenen Begrenzungen, aber auch mit all ihren Chancen.

Das Wunder eines neuen Gemeindezentrums vor Augen, an das in dieser Gestaltung vor Jahren fast niemand geglaubt hat. Und das schreit nach Leben, nach geistlichem Leben.

Ostern. Auferstehung. Jeden Tag neu.

Nur ein Wort. Nur meinen Namen. Maria. Mirjam.

Und wer mag, setze seinen eigenen Namen ein …

(Amen)