Evangelisch
Eisenstadt - Neufeld

129 Fragen. 129 Antworten.

Hinführung zur Ausstellung „450 Jahre Heidelberger Katechismus“

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus!

Liebe Gemeinde!

129 Fragen.

129 Antworten. (Karten herzeigen)

Das ist der Heidelberger Katechismus, dessen 450jähriges Jubiläum heuer in vielfältiger Weise begangen wird.

Ein kleines Buch mit großer Wirkung für reformierte und unierte Kirchen weltweit, ähnlich wie Martin Luthers Kleiner Katechismus für lutherische Kirchen. Seinen Namen hat der 1563 für die Kurpfalz veröffentlichte Katechismus von seinem Entstehungs- und ersten Erscheinungsort Heidelberg. Der pfälzische Kurfürst Friedrich III., später auch der Fromme genannt, gab ihn in Auftrag. Er wollte mit einem neuen Unterrichtsbuch die schulische und kirchliche Bildung in seinem Fürstentum auf eine solide und die verschiedenen Richtungen der Reformation zusammenführende Grundlage stellen.

Verfasser des aus 129 Fragen und Antworten bestehenden Textes ist hauptsächlich der aus Breslau stammende und an die Universität Heidelberg berufene junge Professor für Dogmatik Zacharias Ursinus (1534-1583). Er war Schüler Philipp Melanchthons in Wittenberg, hatte aber auch die Zürcher und Genfer Richtung der Reformation kennengelernt. So konnten sowohl lutherische und melanchthonische als auch zwinglische und calvinische Gedanken in sein Werk einfließen. Als Hinführung zur eigenständigen Bibellektüre wurden dem Text auf Wunsch des Kurfürsten Bibelstellen an den Rand gestellt.

In unserem Gesangbuch finden wir nicht nur Lieder und Gebete, sondern neben manchen nützlichen Informationen auch die wichtigsten Bekenntnisschriften, u.a. auch Luthers Kleinen Katechismus und eben auch den Heidelberger Katechismus, diesen unter Nr. 807.1

Wozu soll ein Katechismus gut sein?

Er soll die Grundlagen des Glaubens vermitteln, vor allem den Kindern, aber auch die Erwachsenen sollen immer wieder diese Grundlagen des Glaubens vertiefen.

Luther macht das in seinem „Kleinen Katechismus“ so – es gibt auch noch einen viel umfangreicheren „Großen Katechismus“ für die Lehrer und Pfarrer -, dass er die Hauptstücke des Glaubens der Reihe nach erklärt:

  1. Die zehn Gebote, 2 Das Glaubensbekenntnis, 3.Hauptstück: Vaterunser, 4. Das Sakrament der Heiligen Taufe, 5. Das Sakrament des Altars oder Das Heilige Abendmahl. Und dann interessanterweise als Abschluss, ohne eigene Zählung, aber als eigener Abschnitt: Vom Amt der Schlüssel und Von der Beichte.

Und dazu stellt er immer Fragen zum Inhalt, erklärt die Grundsätze des Glaubens. Am bekanntesten ist ja die Frage „Was ist das“, also „was bedeutet das“, und dann folgt die Erklärung.

z.B. gleich am Anfang: Das erste Gebot

„Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.“

Was ist das?

„Wir sollen Gott über alle Dinge fürchten (also Ehrfurcht haben, lieben und vertrauen.“

Luther war ja kein Systematiker, der reformatorische Lehrmeinungen geordnet aufgeschrieben hätte. So finden sich viele seiner grundlegenden und besten Aussagen manchmal versteckt in verschiedenen Schriften, Auslegungen und Predigten. So etwa in seinen Invokavit-Predigten, die wir schon mehrfach bedacht haben, in den Vorlesungen zum Römer- oder Galaterbrief … und auch z.B. in seiner Erklärung zum 3.Glaubensartikel. Nachzulesen in unserem Gesangbuch unter Nr. 806.1.

Der Heidelberger Katechismus aus dem Jahre 1563 geht einen anderen Weg:

Er behandelt im wesentlichen die selben Glaubensgrundsätze wie Luther, aber in Frageform, in neun Abschnitte unterteilt.

129 Fragen.

129 Antworten.

Wobei der ersten Frage ein besonderer Stellenwert zukommt – ich komme darauf zurück.

„Es weiß gottlob ein Kind von sieben Jahren, was die Kirche sei, nämlich die heiligen

Gläubigen und ‚die Schäflein, die ihres Hirten Stimme hören’ [Joh 10, 3], denn also beten

die Kinder: ‚Ich glaube an die heilige christliche Kirche ...’” (Schmalkaldische

Artikel, XII).

Martin Luther hat dies in seinen Schmalkaldischen Artikeln 1537 geschrieben.

Man fragt: Was mögen das für Zeiten gewesen sein, in denen ein Kind so genau über den Glauben Bescheid gewusst hat. Und natürlich fragen wir auch, was denn siebenjährige Kinder heutzutage so alles lernen im Fernsehen und am Computer.

 

Es weiß gottlob ein Kind von sieben Jahren, was die Kirche sei…

Aber wissen es die Erwachsenen?

Die Älteren haben vielleicht im Konfirmanden- oder Religionsunterricht noch Luthers Kleinen Katechismus gelernt und könnten sogar auf die eine oder andere Frage „Was ist das?“ heute noch eine Antwort geben. Aber viele Evangelische haben den Kleinen Katechismus nicht nur nicht gelernt, sondern auch noch nicht gelesen. Wissen nicht, dass er im Gesangbuch steht und haben vielleicht gar kein Gesangbuch zuhause.

Die Schülerinnen und Schüler der Hauptschule, nun der Neuen Mittelschule und des Gymnasiums sollten das Gesangbuch übrigens neben der Bibel als Schulbuch bekommen.

Natürlich ist der Glaube eine Sache des Herzens. Aber für die Evangelischen war es immer besonders wichtig, dass Glaube auch mit Bildung zu tun hat. Dass auch einfache Leute lesen und schreiben und damit die Bibel aus erster Hand lesen können. Dass die Bibel und auch der Katechismus in der Schriftsprache der einzelnen Länder vorhanden sind.

Wir haben es auf unserer heurigen Gemeindefahrt durch alle baltischen Länder immer wieder erfahren, dass es vor der Reformation keine Verschriftlichung der Sprache gegeben hat. Und was war das erste Werk, das den Menschen die eigene Schrift geschenkt hat?

Richtig, der evangelische Katechismus.

So wie es auch in Slowenien war. Die Teilnehmer an der damaligen Gemeindefahrt werden sich noch erinnern. Das erste Werk in slowenischer Sprache war – richtig – der lutherische Katechismus. Übersetzt vom Reformator Primus Truber, dessen Schüler Stephan Consul, der seinerseits Trubers slowenische Übersetzung ins kroatische übertrug und einige Jahre Pfarrer hier in Eisenstadt/ Kismarton war mit dem speziellen Auftrag, die neu angesiedelten Kroaten zu evangelisieren.

Aber zurück zum slowenischen Reformator Primus Truber, auf dessen Spuren wir uns im Jahre 2008 gemacht haben. Er wird als Schöpfer der slowenischen Schriftsprache, nicht in erster Linie als Reformator, hoch geachtet. Schon der alte Zehn-Tolar-Schein zierte sein Bildnis; es findet sich auch auf den normalen Ein-Euro-Umlaufmünzen (seit 2007) (herzeigen) und auf der zweiten Zwei-Euro-Gedenkmünze der Republik Slowenien aus dem Jahr 2008.

Die Ein-Euro-Münze trägt das Bild Trubers. Die Umschrift um das Portrait ist ein Zitat aus Trubers Katechismus: „Stati inu Obstati“ und bedeutet „stehen und widerstehen“.

Und überdies ist im heute – bis auf das Übermurgebiet – fast ganz katholischen Slowenien der 31.Oktober Staatsfeiertag (das haben wir in Österreich noch nicht geschafft).

Soweit ein kleiner Streifzug über die Bedeutung des Katechismus nicht nur für den evangelischen Glauben, sondern auch für die sprachliche und bildungspolitische Entwicklung in heute vornehmlich katholisch geprägten Ländern.

Es weiß gottlob ein Kind von sieben Jahren, was die Kirche sei.

Aber wissen es die Erwachsenen?

Es gibt aus der Zeit des Geheimprotestantismus im Ennstal ganz berührende Akten. In Judenburg und in Rottenmann gab es sogenannte „Konversionshäuser“, in denen verdächtige Evangelische eingesperrt und zwangsbeglückt werden sollten. Dies vor allem in der Erntezeit, wo jede männliche Hand besonders schmerzlich vermisst wurde. Wer sich bekehren ließ oder so tat als ob, konnte im Winter, wo es kaum Arbeit gab, wieder auf den Ramsauer oder Schladminger Hof zurück – wer sich stur stellte, wurde nach Siebenbürgen verfrachtet.

Mir ist einmal ein Verhörprotokoll eines Ramsauer Bauernknechtes, eines Knechtes wohlgemerkt, in die Hände gekommen, wo er zur Grundlage seines Glaubens befragt wurde. Mit ganz deutlichen Spitzen gegen Papst und katholische Fehlentwicklungen hat er so gut über das Augsburger Bekenntnis Bescheid gewusst, nachdem die meisten von uns sich A.B. nennen und nicht lutherisch wie in Deutschland,

Er hat so gut über das Augsburger Bekenntnis und die Bibel Bescheid gewusst, dass ein Forscher kopfschüttelnd und anerkennend angemerkt hat: „Ich bezweifle, dass heute verantwortliche Presbyter, vielleicht nicht einmal Pfarrer, so gut Bescheid wissen über das eigene Bekenntnis wie jener einfache Bauernknecht aus dem 17.Jahrhundert.“

Die Pfälzische Kirchenordung von 1563 enthält übrigens genaue Angaben darüber, wie der Heidelberger Katechismus gebraucht und eingeprägt werden sollte. So sollte er im Gottesdienst fortlaufend vorgelesen werden.

Ich habe die Anweisungen in ein etwas verständlicheres Deutsch übertragen:

„Darum soll der Katechismus auf nachfolgende Form gehalten werden.

Erstlich weil das alte Volk im Papsttum ohne Katechismus auferzogen ist und darum leicht das Wesentliche der christlichen Religion vergisst, so ist es für notwendig angesehen, dass an allen Sonn- und Feiertagen in Dörfern und Flecken, desgleichen auch in den Städten, ehe man anhebt zu predigen, der Kirchendiener ein Stück aus dem Katechismus klar und verständlich fürlese, und zwar so, dass er an neun Sonntagen ausgelesen werde. (In Klammern: Das entspricht den neun Abschnitten). …

Am zehnten Sonntag soll der Pfarrer vor der Predigt die Sprüch (also die Bibelverse) vorlesen, in denen ein jeglicher seines Berufs erinnert wird, wie sie an das Ende des Katechismus gesetzt sind.

["Soll derhalben der catechismus auf nachvolgende form gehalten werden.
Erstlich dieweil das alte volck im bapsthumb one catechismus ist auferzogen und leichtlich der stück der christlichen religion vergisset, so ist für notwendig angesehen, daß an allen Son- und feiertagen in dörfern und flecken, deßgleichen auch in den städten, ehe man anhebt zu predigen, der kirchendiener ein stück auß dem catechismo klar und verstendtlich dem volck fürlese also, das er in neun Sontagen außgelesen werde. Den ersten Sontag biß auf den andern theil, den zweyten biß auf den artickel von Gott, dem son, den dritten biß an die frag von der himmelfahrt Christi, den vierden biß zur frag: Was hilft es dich, wenn du diß alles glaubest ?, den fünften biß zum heiligen abendmal, den sechsten biß zum dritten theil des catechismi, den sibenden biß zur frag: Was wil Gott im fünften gebot, den achten biß zum gebet, den neunden biß zum end deß gebets. Am zehenden Sontag soll der pfarherr für der predig die sprüch, darin ein jeglicher seines berufs erinnert wird, fürlesen, wie die zu end des catechismi gesetzt sein.“]

129 Fragen.

129 Antworten.

Der Heidelberger Katechismus, dessen 450jähriges Jubiläum heuer in vielfältiger Weise begangen wird.

Ein kleines Buch mit großer Wirkung für reformierte und unierte Kirchen weltweit, ähnlich wie Martin Luthers Kleiner Katechismus für lutherische Kirchen.

Und immerhin zählen zur „Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen“ zurzeit 230 evangelisch-reformierten Kirchen mit zusammen mehr als 80 Millionen Mitgliedern.

In Österreich sind die Evangelischen Kirchen A. und H.B., also lutherisch und reformiert, seit langem in einer weltweit fast einzigartigen Weise verbunden, mit gemeinsamer Kirchenverfassung, gemeinsamer Generalsynode und vielen anderen Verbindungen.

Abgesehen von der reformierten, ungarisch geprägten, Pfarrgemeinde in Oberwart gibt es in keiner evangelischen Gemeinde des Burgenlandes so viele Reformierte wie in Eisenstadt/ Neufeld, nämlich 32.

Es gibt also viele Gründe, die Wanderausstellung des Reformierten Bundes in Deutschland „450 Jahre Heidelberger Katechismus“ auch bei uns zu zeigen, als erste Ausstellung im neuen Gemeindezentrum, exklusiv für das Nordburgenland.

Dass mit dem lutherischen Bischof Michael Bünker und dem reformierten Landessuper-intendenten Thomas Hennefeld zwei der kompetentesten Fachleute für die Eröffnung der Ausstellung am nächsten Freitag und für den Abschluss eine Woche danach gewonnen werden konnten, freut uns sehr. Ich hoffe, dass möglichst Viele von Ihnen sich diese wertvollen theologischen Beiträge nicht entgehen lassen.

Es gibt auch Begleitmaterial zur Ausstellung, Führer, Taschen (herzeigen – aber nur wenige) und Karten.

129 Fragen.

129 Antworten.

Und eine weitere Karte: Was ist dein Trost? Das ist die Frage!

Das bezieht sich auf die erste Frage des Heidelberger Katechismus. Sie ist Allgemeingut evangelischen Glaubens geworden und zählt mit manchen Aussagen Luthers, wie eben die erwähnte Erklärung zum 3.Glaubensartikel, oder Melanchthons 7.Artikel des Augsburger Bekenntnisses über das Wesen der Kirche zu den genialen geistlich-theologischen Spitzensätzen reformatorischer Theologie.

Um aber dem Vortrag von Bischof Bünker und dem Glaubensseminar mit Landessuperintendent Hennefeld nichts vorwegzunehmen, und Ihnen trotzdem Ihrer evangelischen oder auch ökumenische Zunge etwas Gusto zu machen, schließe ich kommentarlos mit der ersten und letzten Frage, der 129., des Heidelberger Katechismus und ersuche Sie, die Antwort aus dem Gesangbuch gemeinsam zu lesen:

Frage 1: Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben?

(Gemeinde) Dass ich mit Leib und Seele im Leben und im Sterben nicht mir selbst überlassen bin, sondern meinem Heiland Jesus Christus, der mit seinem Blut für alle meine Sünden bezahlt und mich aus der Gewalt des Teufels erlöst hat. Christus bewahrt mich so, dass mir – ohne dass mein Vater im Himmel es will – auch nicht ein einziges Haar ausfallen kann, und alles meiner Seligkeit dienen muss. Durch seinen Heiligen Geist gibt er mir die Gewissheit des ewigen Lebens und macht mich von Herzen willig und bereit, von nun an mit ihm zu leben.

Frage 129: Was bedeutet das Wörtchen »Amen«?

(Gemeinde) Amen heißt: das soll in Erfüllung gehen. Mein Gebet wird umso gewisser von Gott erhört, wenn es der ehrliche Wunsch meines Herzens ist.

In diesem Sinne: Amen.

 

P.S. Unter Verwendung von Materialen der offiziellen website: www.heidelberger-katechismus.net