Evangelisch
Eisenstadt - Neufeld

 

Predigt: Psalm 91

Evang. Kirche Eisenstadt, 29.September 2013 (Michaelis)

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus.

Ich lade Sie ein, gemeinsam den Predigttext zu lesen: Psalm 91 (EG 736 im Wechsel)

Psalmen .. 150 an der Zahl .. mitten in der Bibel

Psalmen .. Gebete, Loblieder, Klageschreie, Mut und Verzweiflung ganz eng beieinander

„Hinter jedem Psalm steht ein menschliches Herz“ ..

(Michael Meyer, abgewandelt)

.. und so verschieden wir sind und so unterschiedlich unsere Situationen und Gefühle, so unterschiedlich sind auch die Psalmen..

Heute Psalm 91, den wir gemeinsam gebetet haben, den Sie vor sich haben ...

Bilder, uralt und doch mitten aus unserem Leben gegriffen...

Schirm und Schatten...

Zuversicht und Burg ... Hoffnung

Als Überschrift könnte man über Psalm 91 setzen: Geborgenheit trotz Anfechtungen und Schwierigkeiten und Problemen

Wer meint, dass in seinem Leben alles so ist, wie es sein sollte… wer keine Probleme hat und keine Nöte und Bedrängungen … wessen Leben sich so anfühlt wie ein Spaziergang über einen Regenbogen (der allerdings auch erst nach dem Regen wundersam auftaucht), wessen

geistliches Leben sich auf einem dauernden Hoch befindet ...

der oder die wird mit dem 91 Psalm wenig anfangen können …

Den meisten wird es anders gehen und die lade ich ein, nachzudenken ... wirklich diesen Bildern nach-zu-denken ... hinterherzugehen ... sie näher zu betrachten und mit heim zu nehmen....

Vorschnelle Lösungen hat wohl kaum jemand anzubieten, weder für die politische Weltlage noch für die Wirtschaftskrise noch für die Börsenkurse, noch für die Situation zu Hause oder im Büro...

Ein Stück Evangelium vielleicht ... in dem Wort Ev-angel-ium steckt der Engel, auf englisch angel, auf deutsch „Bote“, Überbringer einer Nachricht, einer guten Nachricht .. das könnte der Psalmdichter für uns sein ...

Überbringer einer guten Nachricht..

Ein Psalmdichter, der davon weiß, dass wir nicht in einer heilen Welt leben,

der davon weiß, dass unser Leben nicht ungebrochen und nicht ganzheitlich und nicht frei von Dunkel ist,

der von Bedrohungen und Ängsten weiß, von Sorge und Trauer –

und trotzdem von Gottes Schutz und Bewahrung und Geborgenheit redet .. trotzdem oder auch gerade deswegen...

Seine Bilder, denen nachzusinnen sich lohnt ..

Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt .. ein Schirm an einem Regentag, wenn es Schusterbuben schüttet .. und dann einen Schirm zu haben ...

Als Steirer fällt mir dazu immer gleich die Geschichte von Peter Rosegger ein (nimm in mit, lass in do) .. Kennen sie die?? Sie ist grade eben 100 Jahre alt und obwohl Rosegger eine für seine Zeit ausgesprochen aufgeschlossene und moderne Persönlichkeit war, noch nicht gendermäßig adaptiert. (Stoansteirisch, S.98) Wenn Sie wollen, lese ich sie Ihnen nachher beim Kirchenkaffee vor.

Das Bild des Schirms.

Unter dem Schirm des Höchsten .. da gibt’s noch jemand, der ist größer .. als mein Vater, mein Lehrer, mein Chef (jeweils auch in der weiblichen Form) .. da gibt’s noch mehr und Höheres als das, was mir angeschafft wird, was ich zu tun habe, mehr als Stundenpläne und Tagesordnungspunkte und Verpflichtungen ....

Wer unter dem Schirm des HÖCHSTEN sitzt ...

Und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt ...

Ein glühendheißer Sommertag .. irgendwo im Süden oder auch bei uns in Burgenland, wo die Sonne nicht nur ein Marketingobjekt ist, sondern manchmal Mühe macht, nicht nur den Bauern... Sonne .. Ein heißer Sommertag, von denen es heuer viele gab …

ohne Haus, ohne Baum....

und dann ein Schatten .... ein Platz zum Ausruhen, sich den Schweiß von der Stirne wischen, auftanken, neue Kraft finden ...

Daraus wächst Zuversicht, Zuversicht trotz allem, Geborgenheit .... wie in einer Burg...

Eine Burg ....eine Zuflucht ....ein Zuhause....

Trotz allem, was passiert, was bedrängt und Angst macht ...

Unser Psalm ist voll von alten Bildern und Erfahrungen ...

Die beim Nachsinnen in einer ruhigen halben Stunde Vieles in uns aufsteigen lassen…

Der Strick des Jägers und die verderbliche Pest ..

Das Grauen der Nacht, die schlaflosen Stunden und die trüben Gedanken..

So vieles klingt in unserem Psalm an / an alten Bildern und Erfahrungen ...

Die Pfeile, die des Tages fliegen, die spitzen Bemerkungen, der verletzende Spott, äußere und innere Feinde .... wie weh können manchmal Worte, unbedachte Äußerungen tun … auch bewusst gespitzte Pfeile …

Und trotz alledem ..

Eine Burg ....eine Zuflucht ....ein Zuhause....

Wenn ich so in die Runde schaue .. gibt es jemanden ohne Sorgen, ohne Problem, ohne Ängste .... Und trotz alledem … Eine Burg ....eine Zuflucht ....ein Zuhaus....

„Ein feste Burg ist unser Gott“. Das bekannteste Reformationslied, von Martin Luther nach Psalm 46 gedichtet, in Ungarn und in Sziget in der Wart ist sogar ein Gruß unter Evangelischen daraus geworden.

„Ein feste Burg“ ist eigentlich kein protestantisches Trutzlied, sondern ein Lied der Geborgenheit bei Gott.

Singen wir die ersten beiden Strophen (EG 362). (leise)

Eine Burg ....eine Zuflucht ....ein Zuhaus....

„Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer, wie Wind und Weite und wie ein Zuhaus..“ .... dieses Lied werden wir nach der Predigt singen ..

Nebenbei ein umstrittenes Lied: Für die einen ein oberflächliches Bild von Gott, für die anderen ein Bild der Geborgenheit und Ruhe … ich zähle zu letzteren, weil ich das Meer liebe und die Dünen und den Wind

„Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer, wie Wind und Weite und wie ein Zuhaus..“ ....

Schirm und Schatten

Eine Burg ....eine Zuflucht ....ein Zuhaus....

Psalm 91... „Er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen“

Noch eine Nebenbemerkung: Wir haben schon manchmal über die Versuchungsgeschichte aus Matthäus 4 nachgedacht, auch über die literarische Bearbeitung im „Großinquisitor“ von Dostojewski und über die Fragen des Versuchers, der Jesus ausgerechnet mit Bibelstellen durcheinanderbringen und von seinem Weg abbringen will.

„Wenn du Gottes Sohn bist, dann wirf dich hinab. Denn er hat seinen Engeln befohlen, daß sie dich behüten auf allen deinen Wegen, daß sie dich auf den Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest.“

Da sprach Jesus zu ihm: Wiederum steht geschrieben, im Herzen der Botschaft des Alten Testaments (5.Mose 6,16): „Du sollst dein Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.“

„Denn er hat seinen Engeln befohlen, daß sie dich behüten auf allen deinen Wegen, daß sie dich auf den Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest.“

Es ist interessant, dass dieser Vers unter den von den Eltern für ihre Kinder gewählten Taufsprüchen in den letzten Jahren mit großem Abstand an erster Stelle steht.

„Denn er hat seinen Engeln befohlen, daß sie dich behüten auf allen deinen Wegen, daß sie dich auf den Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest.“

Eine der wunderbarsten Vertonungen dieses Psalms stammt von Felix Mendelssohn-Bartholdy - ich zitiere: „Denn er hat seinen Engeln befohlen über dir“ – ein fast schon überirdischer achtstimmiger Gesang mit wechselnden Männer- und Frauenstimmen.

Einspielung:

Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847): Denn er hat seinen Engeln befohlen (CD 14; Nr. 9)

Engel sind nicht Wesen mit Flügeln, zumindest in der Bibel nicht, sie sind Boten .... Boten der Liebe Gottes, die können aussehen wie du und ich und manchmal haben sie das Gesicht von nebenan.. und, wie gesagt, im Wort Evangelium steckt der Engel, der Bote auch ...

Und manchmal … mit einem Gedicht von Rudolf Otto Wiemer:

Es müssen nicht Männer mit Flügeln sein

Es müssen nicht Männer mit Flügeln sein,
die Engel.
Sie gehen leise, sie müssen nicht schrein,
oft sind sie alt und hässlich und klein,
die Engel.

Sie haben kein Schwert, kein weißes Gewand,
die Engel.
Vielleicht ist einer, der gibt dir die Hand,
oder er wohnt neben dir, Wand an Wand,
der Engel.

Dem Hungernden hat er das Brot gebracht,
der Engel.
Dem Kranken hat er das Bett gemacht,
und hört, wenn du ihn rufst, in der Nacht,
der Engel.

Er steht im Weg und er sagt: Nein,
der Engel.
Groß wie ein Pfahl und hart wie ein Stein –
Es müssen nicht Männer mit Flügeln sein,
die Engel.

(aus: Rudolf Otto Wiemer, Der Augenblick ist noch nicht vorüber, Kreuz Verlag, Stuttgart 2001, (c) Rudolf Otto Wiemer Erben, Hildesheim.)

Schirm und Schatten

Eine Burg ....eine Zuflucht ....ein Zuhaus....

Im Morgen- und im Abendsegen Martin Luthers heißt es, wir haben ihn am Anfang des Gottesdienstes gemeinsam gebetet: "Dein heiliger Engel sei mit mir, daß der böse Feind keine Macht an mir finde".

Geborgen trotz allem ....

Wie ein Schirm an einem Regentag.. wie ein Schatten in der heißen Sonne ..

Wie eine Burg ... inmitten aller Kämpfe und Fragen ... eine Zuflucht ..

Und wie ein Zuhaus ..... Amen.