Evangelisch
Eisenstadt - Neufeld

Predigt 6.n.Trin. 27.Juli 2014 Eisenstadt

Worte, die berühren (Psalm 91, 11)

Evang. Kirche Eisenstadt

(Einführung von Christine Posch als Lektorin mit Sakramentsverwaltung; gemeinsame Feier des Hl. Abendmahls; Segnung von Ruth Gassner, Hans und Inge Tremmel nach Absolvierung des einjährigen „Ökumenischen Lehrgangs für seelsorglichen Besuchsdienst“; Taufe von Samu Brückler unter Mitwirkung der Familie; Reisesegen für die Teilnehmenden an der Gemeindefahrt nach Südfrankreich „Über allem ein Hauch von Lavendel“)

 

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserem Vater, und unserem Herrn Jesus Christus.

Liebe Gemeinde!

Worte, die berühren. Worte der Heiligen Schrift, die in unser Leben hineinschwingen, es vielleicht sogar länger begleiten.

Der Konfirmationsspruch, den sich die Jugendlichen selber aussuchen und über den sie auch eine Predigt schreiben. Eine ganze Anzahl davon wird dann bei der sogenannten „Konfirmandenprüfung“ von der Kanzel des Pfarrers gehalten – von den Jugendlichen. Unzensuriert. Unplugged.

Worte, die berühren. Bibelverse, die uns ansprechen. Manchmal unvermutet wie aus dem Hinterhalt, manchmal hartnäckig wie eine treue Freundin. Ein Wort aus dem Lösungsbüchlein als Wegweiser für den Tag.

Wir taufen in unserer evangelischen Kirche ganz bewusst kleine Kinder. Weil wir davon überzeugt sind und darauf vertrauen, dass die Liebe Gottes einem jeden Kind vorausgeht. Wir sind geliebt, bevor wir etwas geleistet haben. Einfach so. Weil wir da sind. Originale Gottes. Unverwechselbar.

Und deshalb ist die Taufe eines Kindes auch eine Art revolutionärer Akt. Ein Aufstand gegen eine Leistungsgesellschaft, in der Menschen nur dann etwas wert sind, wenn sie etwas leisten. Und nur solange etwas wert sind, solange sie etwas leisten können.

Und deshalb ist die Taufe eines Kindes auch ein großes Stück Verantwortung. Nicht nur für dieses süße kleine Leben, das der Familie geschenkt wurde. Sondern auch der Blick auf die vielen Kinder in der Welt, denen es nicht so gut geht, die unter Hunger und Krieg und Gewalt und Flüchtlingselend leiden. #

Unser Leben ist verknüpft mit Gott von Anfang an. Eltern und Paten und die Kirche übernehmen auch die Verantwortung dafür, dass dieses kleine Kind hineinwächst in den Glauben, in das Vertrauen … einen Grundwasserspiegel an Glaube, Hoffnung, Liebe erhält, aus denen die Wurzeln auch dann noch Kraft ziehen können, wenn es dürre Jahre gibt und die Hand der Eltern das Kind nicht mehr durchs Leben begleiten kan.

Eine Geburt ist immer ein einschneidendes Erlebnis. Ich erinnere mich noch, wie ich unsere älteste Tochter die ersten beiden Stunden ihres Lebens im Arm gehalten habe – jetzt ist sie 29 geworden, auch bei den anderen Geburten war ich dabei. Prägende Erlebnisse für das ganze Leben.

Und dann die Taufe. Taufkerze und ein Taufspruch Ein Wort der Heiligen Schrift, das das Kind auf seinem Lebensweg begleiten soll. In den Taufgesprächen übergebe ich die Verantwortung dafür der Familie – den Eltern, den Paten, manchmal auch den Großeltern oder den Geschwistern.

 

Worte, die berühren. Welche Worte möchten Eltern ihren Kindern mit auf den Lebensweg geben?

Ich habe die Beobachtung gemacht, d.h. sie hat sich aufgedrängt, dass ein Wort der Heiligen Schrift in den letzten Jahren besonders häufig als Taufspruch ausgewählt worden ist. Egal, ob die Eltern in der Bibel gesucht haben, im Internet gegoogelt oder eine vorhandene Liste durchforstet haben – ein Bibelwort steht seit Jahren mit großem Abstand an der Spitze.

Ich habe kurz nachgeblättert. In den letzten dreieinhalb Jahren 16 Mal. Alle anderen liegen weit dahinter:

1.Kor. 13 für die Bibelkundigen unter uns oder Josua 1 – so 4 bis 5 Mal, erstaunlich oft Verse aus den Mosebüchern (vielleicht haben die Eltern am Anfang der Bibel zu blättern begonnen), auch aus den Johannesbriefen (da steht viel über die Liebe).

Worte, die berühren. Die Eltern ihren Kindern mit auf den Lebensweg geben wollen.

Von den 11 Taufen heuer wurde 5x dieser Vers gewählt, und zwar völlig unabhängig voneinander.

Es gibt Tausende von Bibelversen, in einer Vorlage sind über 500 vorgeschlagen – und 5 von 11 Eltern entscheiden sich für ein Wort …

Nicht Psalm 23 … das ist eine andere Generation … was würden Sie raten?

Regelmäßigen Gottesdienstbesuchern ist das natürlich schon aufgefallen, weil ja die meisten Taufen bei uns im Gottesdienst ihren Platz finden.

Es ist Psalm 91, Vers 11:

„Denn er hat seinen Engeln befohlen, daß sie dich behüten auf allen deinen Wegen“

Manchmal wird auch Vers 12 hinzugefügt:

„daß sie dich auf den Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest.“

5 von 11 Taufeltern dieses Jahres haben unabhängig voneinander dieses Psalmwort als Lebensbegleit-Wort für ihr Kind ausgewählt. Unabhängig auch von ihrer Bindung zur Kirche oder ihrer Kenntnis der Bibel.

Was schließe ich als Pfarrer daraus?

Was schließen Sie daraus?

Worte, die berühren.

Ich habe vier der fünf Taufeltern erreicht und sie gefragt, warum sie dieses Bibelwort gewählt haben. Alle haben gerne ihre Kooperation zugesagt, wie überhaupt diese Taufen nicht nur der letzten Zeit sehr bewusst und auch mit geistlicher Substanz und Bereitschaft zur Mitwirkung geprägt waren. Nicht immer, aber oft … immer öfter.

Hier die kurzen Antworten der Eltern, die ich ohne Kommentar und Wertung weitergebe - auch ohne Namensnennung, sofern sie sich nicht aus der Antwort selbst ergibt.

Antwort 1:

„Meine Entscheidung für den Spruch kam aus dem Herzen und ist mit dem Wunsch verbunden, dass dort, wo die Augen zu schwach und die  Hände zu kurz sind, nur eine höhere Macht helfen und heilen kann. Und da Gott nicht überall sein kann, hat er seine Helferlein gesandt, die - wenn ich nicht greifbar bin - die Flügel ausbreiten und mein Kind führen und leiten.“

Antwort 2:

Sehr geehrter Herr Pfarrer!

Anbei wie versprochen unsere Begründung zur Auswahl des Taufspruches:

In der heute schnelllebigen Zeit wünscht man sich doch nichts mehr als Jemanden (Engel), die das Wichtigste in unserem Leben (unsere Kinder) beschützen und behüten – daher haben wir uns auch  für diesen Spruch entschieden.

Mit freundlichen Grüßen …“

Antwort 3:

„Wir haben diesen Taufspruch gewählt, weil wir uns alle einig waren (Taufpaten, Eltern, Großeltern), dass dieser Taufspruch am besten zu unserer Celina passt.

1.) Weil Celina für uns alle ein Engel ist.

2.) Weil Celina "Himmel" bedeutet und die Engel sich im Himmel befinden.

3.) Weil wir hoffen, dass Celina von den Engeln behütet wird, gesund, lebensfroh und mit dem Glauben aufwachsen kann.“

Antwort 4:

„Wir haben diesen Taufspruch aufgrund der Komplikationen am Anfang der Schwangerschaft gewählt. Jeden Tag haben wir alle gehofft, dass Gott Samus Schicksal in die Hand nimmt und alles zum Guten wenden wird. Letztendlich war es auch so und wir haben uns noch nie in unserem Glauben so bestätigt gefühlt. Wir hoffen sehr, dass er auch weiterhin von seinem Engel begleitet wird.“

Ich möchte diese Antworten nicht kommentieren, auch nicht auf allfällige theologische Stichhaltigkeiten hin überprüfen, sondern sie einfach stehen lassen – als Ausdruck der Sehnsucht von Familien, dass ihr Kind in seinem Leben beschützt und behütet wird, über die Liebe und die Möglichkeiten der Eltern und Paten hinaus.

Psalm 91, Vers 11:

„Denn er hat seinen Engeln befohlen, daß sie dich behüten auf allen deinen Wegen“

16 Mal in den letzten dreieinhalb Jahren, bei fünf von elf Taufen heuer. Das regt zum Nachdenken an und dieses Nachdenken wollte ich heute mit Ihnen teilen.

Engel sind nicht Wesen mit Flügeln, zumindest in der Bibel nicht, sie sind Boten .... Boten der Liebe Gottes - die können aussehen wie du und ich und manchmal haben sie das Gesicht von nebenan.. und im Wort Evangelium steckt der Engel, der Bote auch ...

Und manchmal … mit einem Gedicht von Rudolf Otto Wiemer:

Es müssen nicht Männer mit Flügeln sein

Es müssen nicht Männer mit Flügeln sein,
die Engel.
Sie gehen leise, sie müssen nicht schrein,
oft sind sie alt und hässlich und klein,
die Engel.

Sie haben kein Schwert, kein weißes Gewand,
die Engel.
Vielleicht ist einer, der gibt dir die Hand,
oder er wohnt neben dir, Wand an Wand,
der Engel.

(aus: Rudolf Otto Wiemer, Der Augenblick ist noch nicht vorüber, Kreuz Verlag, Stuttgart 2001, (c) Rudolf Otto Wiemer Erben, Hildesheim.)

 

Im Morgen- und im Abendsegen Martin Luthers heißt es, beide stehen im Gesangbuch: "Dein heiliger Engel sei mit mir, daß der böse Feind keine Macht an mir finde".

Worte, die berühren. Worte der Heiligen Schrift, die in unser Leben hineinschwingen, es vielleicht sogar länger begleiten.

Wohl auch deshalb, weil sie eine Sehnsucht in uns ansprechen … eine Sehnsucht nach Schutz und Geborgenheit … eine Sehnsucht nach Bewahrung und Geleit auf guten Wegen … für unsere Kinder, für uns alle.

„Beten wir füreinander“ hieß es im Predigttext aus dem 2.Thessalonicherbrief vom letzten Sonntag. Auch dafür, dass diese Sehnsucht auch in unserer Gemeinde ein Zuhause findet.

Worte, die berühren.

„Denn er hat seinen Engeln befohlen, daß sie dich behüten auf allen deinen Wegen“

Siegfried Fietz hat vor einiger Zeit ein Lied geschrieben, dass über ein Jahr in der Hitliste christlicher Lieder in Deutschland ununterbrochen auf Nr. 1 stand. Er hat es auch schon mehrfach in unserer Kirche gesungen: „Manchmal brauchst Du einen Engel“.

Und denken Sie manchmal daran: Der Engel - der Bote Gottes- könnte der Mann, die Frau, das Kind neben Ihnen sein – oder Sie selber für das Kind, die Frau, den Mann neben Ihnen …

Amen.

CD-Einspielung: „Manchmal brauchst du einen Engel“ (S. Fietz)

 

Pfarrer Dr. Herbert Rampler