Evangelisch
Eisenstadt - Neufeld

 

Predigt Matthäus 11, 2-10_3.Advent 14.12.2014 Eisenstadt

„Was seid ihr hinausgegangen zu sehen…?“

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und unserem Herrn Jesus Christus!

Liebe Gemeinde!

Der 3.Adventsonntag hat nach kirchlichem Brauch als „Leitfigur“ Johannes den Täufer.

Diese markante Persönlichkeit in der Tradition der alttestamentlichen Propheten, in Form und Inhalt irgendwie angesiedelt zwischen Altem und Neuem Testament.

Er ist der Vorbote Jesu, der Wegweiser hin auf den kommenden Messias.

Wenn die vier Evangelisten von Johannes erzählen, dann zitieren sie alle den Propheten Jesaja: „Bereitet dem Herrn den Weg“ – auch Wochenspruch für den 3.Advent.

„Bereitet dem Herrn den Weg“ … Bahnt einen Weg für ihn durch die Wüste, baut eine Straße für unseren Gott“ – wir haben es in der Lesung gehört. Martin Luther King hat darauf seine berühmte Rede „I have a dream“ aufgebaut.

Johannes der Täufer, der Wegweiser auf Jesus hin, ist so zur Symbolfigur des Advent geworden.

Advent kommt aus dem Lateinischen und bedeutet bekanntlich „Ankunft“.

Und das ist wohl das Eigentliche an dieser Zeit vor Weihnachten … so viele Dinge und Bräuche und Pflichten und Termine auch sonst damit verbunden sind …

Irgendwie schlägt das Eigentliche doch immer wieder durch, und sei es in unbestimmten Gefühlen: Erwartung, Vorbereitung … irgendetwas kommt, das anders ist, das diese Zeit von den anderen Zeiten des Jahres unterscheidet.

Der Adventkranz ist ein Zeichen dafür. Als evangelische Erfindung des Hamburger Pfarrers Johann Hinrich Wichern im „Rauhen Haus“ für vernachlässigte und verwaiste Kinder feiert er heuer seinen 175.Geburtstag.

Gemeinsam haben wir die erste Kerze angezündet am Samstag des Kirchweihfestes.

Nun brennt bereits die dritte Kerze.

Nur mehr wenige Fenster des Adventkalenders bleiben zu öffnen übrig.

Die Erwartung steigt. Die Kinder werden schon ein wenig nervöser. Nicht nur wegen der Geschenke.

In der Schule warten noch letzte Schularbeiten … Anordnung unseres Direktors: „Alle Schularbeiten müssen vor Weihnachten zurückgegeben werden“…

Und nicht wenige sind bei Krippenspielen, Feiern, vorweihnachtlichen Konzerten eingebunden, müssen noch Rollen lernen, Flötenstücke üben – und die braven Eltern dürfen Taxi spielen …

Die Erwartung steigt, und auch der Druck: Dies ist noch zu erledigen, jenes noch vorzubereiten.

Wir könnten in das alljährliche Klagelied über die vorweihnachtliche Hektik einstimmen, den Kommerz und den Ärger darüber, dass schon Wochen vor dem Hl. Abend „Stille Nacht“ aus den Lautsprechern dröhnt.

Das möchte ich heute nicht tun.

Erstens, weil ich meine, dass hinter mancher Fassade mehr an echten Gefühlen und sehnsüchtiger Erwartung steckt als man meint … oder einem auch selber bewusst ist.

Und zweitens, weil mich die Frage Jesu an die Anhänger des Johannes aus unserem Predigtabschnitt beschäftigt hat: „Was seid ihr hinausgegangen zu sehen?“

Wir hören Matthäus 11, 2-10:

Als Johannes im Gefängnis von den Werken Christi hörte, sandte er seine Jünger und ließ ihn fragen:

"Bist du es, der da kommen soll,

oder sollen wir auf einen andern warten?"

Jesus antwortete und sprach zu ihnen:

"Geht hin und sagt Johannes wieder, was ihr hört und seht:

Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf, und Armen wird das Evangelium gepredigt;

und selig ist, wer sich nicht an mir ärgert."

Als sie fortgingen, fing Jesus an, zu dem Volk von Johannes zu reden: "Was seid ihr hinausgegangen in die Wüste zu sehen?

Wolltet ihr ein Rohr sehen, das der Wind hin und her weht?

Oder was seid ihr hinausgegangen zu sehen?

Wolltet ihr einen Menschen in weichen Kleidern sehen?

Siehe, die weiche Kleider tragen, sind in den Häusern der Könige.

Oder was seid ihr hinausgegangen zu sehen?

Wolltet ihr einen Propheten sehen?

Ja, ich sage euch: er ist mehr als ein Prophet.

Dieser ist's, von dem geschrieben steht: »Siehe, ich sende meinen Boten vor dir her, der deinen Weg vor dir bereiten soll.«"

"Was seid ihr hinausgegangen in die Wüste zu sehen?“

Ich möchte diese Frage aufgreifen und weiterspielen an uns.

Zuvor aber noch ein Blick auf diesen Johannes, den Täufer, Symbolgestalt des Advent.

Eine markante Persönlichkeit, Jugendliche würden sagen: „a wüda Hund“ …

Gekleidet mit Kamelhaaren, mit markigen Sprüchen, gegen die Abraham a Santa Clara wie Vogelgezwitscher klingt …

In der Wüste hat er sich vorbereitet auf seinen Auftrag, bevor er die Botschaft der Umkehr verkündet, bevor er Jesus tauft, bevor er zum Wegweiser auf Jesus hin wird.

Bald haben sich Jünger um ihn gesammelt, wie das auch bei anderen charismatischen Personen der Fall war.

Aber er hat diese Jünger letztlich nicht an sich gebunden, sondern sie weiter verwiesen an den, der da kommen sollte …

An den, von dem Johannes bezeugt hat, er sei nicht wert, die Riemen seiner Sandalen zu lösen. An den, von dem er gesagt hat, er sei viel größer als er selbst. An Jesus, den Christus.

Nun war Johannes im Gefängnis gelandet, weil er es gewagt hatte, die sittenwidrige Heirat des Herodes Antipas mit der Frau seines Halbbruders zu kritisieren.

Aus dem Gefängnis schickt er seine Jünger zu Jesus, um ihn zu fragen: „Bist Du der, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?“

Bist du einer der Messiasgestalten, die es damals in großer Zahl gegeben hat, vielleicht auch heute noch gibt – oder bist Du der richtige Messias?

Als die engeren Jünger des Johannes gegangen waren, wandte sich Jesus an das „Volk von Johannes“, also an seine offenbar zahlreichen Anhänger:

"Was seid ihr hinausgegangen in die Wüste zu sehen?“

Wolltet ihr ein Rohr sehen, das der Wind hin und her weht?

Oder was seid ihr hinausgegangen zu sehen?

Ein Rohr, das der Wind hin und her weht … Viele vermuten dabei eine ironische Anspielung auf Herodes Antipas, denn Herodes ließ damals gerade Münzen prägen mit einem Schilfrohr drauf.

Ein Rohr, das der Wind hin und her weht …

Oder was seid ihr hinausgegangen zu sehen?

Wolltet ihr einen Menschen in weichen Kleidern sehen?

Siehe, die weiche Kleider tragen, sind in den Häusern der Könige.

Die werdet ihr in der Wüste nicht finden, die sitzen an den Tischen der Reichen.

Oder was seid ihr hinausgegangen zu sehen?

Wolltet ihr einen Propheten sehen?

Ja, er ist ein Prophet – und mehr als das, sagt Jesus:

Ja, ich sage euch: er ist mehr als ein Prophet.

Dieser ist's, von dem geschrieben steht: »Siehe, ich sende meinen Boten vor dir her, der deinen Weg vor dir bereiten soll.«"

Wieder dieses Wort aus dem Propheten Jesaja, der Wochenspruch für den 3.Advent:

„Bereitet dem Herrn den Weg“!

„Was seid ihr hinausgegangen zu sehen?“

Ich habe gesagt, ich spiele diese Frage weiter an uns. In diese Zeit des Advent, der oft so unbestimmten Erwartung, der Vorbereitung auf etwas, das für Viele gar nicht mehr so benennbar ist, aber trotzdem eine Saite in ihnen zum Klingen bringt.

„Was seid ihr hinausgegangen zu sehen?“

Wollt ihr die Kerzen am Adventkranz nur anzünden, eine nach der anderen, weil es halt so Brauch ist, oder steckt dahinter nicht auch eine tiefe Sehnsucht, dass in unseren Herzen und Häusern, auch in unseren Kirchen und Gemeindesälen ein paar Lichter mehr leuchten, um die Schatten zu vertreiben, die es überall gibt.

Wollt ihr nur deshalb Geschenke besorgen, weil es so üblich ist. Oder steckt dahinter trotz manchem Stöhnen nicht doch auch der Wunsch, Gefühle auszudrücken, Verbundenheit und Wertschätzung zu zeigen, vielleicht sogar Liebe. Oder einfach, einem anderen eine freude zu bereiten.

Machen wir nur deshalb Weihnachtsputz, weil es ab und zu einfach notwendig ist, und ein gutes Gefühl bringt, wenn äußerlich wieder das Meiste in Ordnung ist.

Oder hat das nicht auch ein wenig mit dem eigenen Inneren zu tun, mit der eigenen Seele.

Die ab und zu auch einen „Weihnachtsputz“ braucht. Da gibt es manchen Staub zu wischen, der sich im Lauf der Zeit angesammelt hat, oft einfach so, ganz ohne unser Zutun. Und trotzdem stört er.

Da liegen Dinge herum, die längst weggeräumt gehörten. Ein unbedachtes Wort, ein Splitter vom letzten Streit, der beim Draufsteigen immer noch weh tut.

In der Ecke und im Badezimmer vielleicht noch Schmutzwäsche, die daran erinnert, dass nicht alles ganz sauber ist in unserem Leben.

Die Schmutzwäsche des Körpers schafft mühelos die Waschmaschine, für die der Seele gibt es einen Ort, wo man sie abgeben kann – die Krippe und das Kreuz.

Gemeinsam mit den Sorgen, die uns tags nicht ruhig arbeiten und nachts nicht ruhig schlafen lassen. Auch die dürfen wir hinbringen und abgeben – in der Krippe und am Kreuz.

„Was seid ihr hinausgegangen zu sehen?“

Vielleicht steckt hinter all den Sitten und Gebräuchen, hinter Schenken und Beschenktwerden, hinter Putzen und Vorbereiten, hinter Keksen und Glühwein viel mehr Ahnung oder auch Sehnsucht danach, dass unser Leben einen tieferen Sinn hat. Und dass dieser tiefere Sinn mit dem Geheimnis von Weihnachten zusammenhängt.

Ich lasse diese Predigt offen ausklingen.

Advent ist eine offene Zeit.

Eine Zeit der Besinnung, der Erwartung, der Vor-Freude und auch der Fragen.

Ich möchte diese Offenheit nicht dadurch eingrenzen und abbrechen, indem ich die Antwort von Weihnachten gleich dazugebe.

Wir warten auf etwas, das kommt.

Wir warten auf den, der kommt.

Halten wir sie ruhig einmal aus, diese Zeit der Erwartung, deren Erfüllung noch in der Zukunft liegt.

Zünden wir die dritte Kerze am Adventkranz an – und dann die vierte, ohne gleich den voll erleuchteten Weihnachtsbaum vor Augen zu haben.

Gönnen wir uns diese eineinhalb Wochen noch bis zum Hl. Abend.

Vielleicht gibt es noch das eine oder andere auf- und auszuräumen bis dahin.

Vielleicht gibt es noch die eine oder andere Frage, die sich in diesen Tagen oder an den Abenden im Flackern der Kerzen leise, aber deutlich zu Wort melden möchte.

Jedenfalls schadet es uns bestimmt nicht, die Frage Jesu an die Anhänger seines Vorboten Johannes mitzunehmen in unsere letzten vorweihnachtlichen Tage:

"Was seid ihr hingegangen zu sehen…?“

Und die Botschaft Johannes des Täufers und vorher schon des Propheten Jesaja mit zu bedenken, im Blick auf uns selber und auch auf unsere Aufgabe als Gemeinde und Kirche, und als Christinnen und Christen in dieser Welt:

„Bereitet dem Herrn den Weg“!

Amen.