Evangelisch
Eisenstadt - Neufeld

Predigt Pfingstmontag 1. Juni 2019 Eisenstadt

Johannes 20,19-23


Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus!

Wir hören den Predigtabschnitt aus dem Johannesevangelium, Kapitel 20, die Verse 19-23

19 Am Abend aber dieses ersten Tages der Woche, da die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren aus Furcht vor den Juden, kam Jesus und trat mitten unter sie und spricht zu ihnen: Friede sei mit euch!
20 Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und seine Seite. Da wurden die Jünger froh, dass sie den Herrn sahen.
21 Da sprach Jesus abermals zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.
22 Und als er das gesagt hatte, blies er sie an und spricht zu ihnen: Nehmt hin den Heiligen Geist!
23 Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten.

Herr, segne unser Reden und Hören durch deinen Heiligen Geist. Amen.

Liebe Gemeinde!

Nicht in den Glauben der Jünger und Jüngerinnen hinein ist Jesus auferstanden, wie noch vor Jahrzehnten weise Theologieprofessoren ihren Studenten erklärten, sondern gegen ihren Glauben, gegen ihre Hoffnung.
Traurig waren sie, die Jünger, die Freunde des Jesus aus Nazareth, von dem sie geglaubt hatten, dass er der Messias sein könnte.
Und dann hatten ihn seine Gegner doch erwischt und ausgeschaltet.
Die Geschichte der Emmausjünger macht das besonders deutlich.

Mutlos, ihrer Hoffnungen beraubt, saßen sie beisammen, die Türen versperrt „aus Furcht“, wie wir lesen.
Aus Furcht, jemand könnte noch einmal die Frage stellen, die nach der Verhaftung an Jesu – vor seiner Verleugnung – an ihn gestellt worden war: „Seid ihr auch dabei gewesen?“ …“Ihr seid doch auch Anhänger dieses Mannes aus Nazareth … Man hörts an eurem Dialekt …“
Aus Angst, jemand könnte auf die Idee kommen, weiterzusuchen: Den Chef haben wir erwischt, jetzt suchen wir die anderen …

Jedenfalls: Die Tür war zu, versperrt von innen – und Angst und Sorge lagen in der Luft. Nicht Hoffnung.
Was wird aus uns? Jetzt. Wenn ER nicht mehr da ist.

So hat Kirche begonnen. In ihren leisen Anfängen. Nicht triumphalistisch, in einer Mischung aus Glaube, Macht und Hierarchie. Es kann nicht schaden, sich gelegentlich daran zu erinnern.

Die Türen waren verschlossen, verschlossen aus Angst.
Das beschreibt der erste Halbvers in unserem Abschnitt (19a):
„Am Abend aber dieses ersten Tages der Woche, da die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren aus Furcht …“

Und dann berichtet Johannes weiter, ganz sachlich, fast beiläufig, als sei das überhaupt nichts Besonderes:
Da „kam Jesus und trat mitten unter sie und spricht zu ihnen (!der Evangelist wechselt plötzlich in die Gegenwart): Friede sei mit euch!

So einfach, so locker, als ob es keine Türen gäbe, keine versperrten / und keine Wände, so einfach kommt er und sagt: „Friede sei mit euch“.

Darum geht’s in diesem Abschnitt des Johannesevangeliums, der in der neuen Perikopen-ordnung, der Ordnung der Predigttexte, dem Pfingstmontag zugedacht wurde:

  1. Von der Angst, die jemand hat, der sich alleingelassen fühlt
  2. Von den Problemen, die einer hat, der später dazukommt
  3. Von dem Mann, den selbst verschlossene Türen nicht abschrecken

Erstens also: Von der Angst, die jemand hat, der sich alleingelassen fühlt

Davon haben wir im Grunde schon geredet.
Von der Situation der Jüngerinnen und Jünger nach dem Tod Jesu.
Von dem Gefühl: Alles ist vorbei.
Es ist alles umsonst gewesen …
Und es gibt wenige Dinge, die mehr weh tun, als die Narren der eigenen Hoffnung geworden zu sein.

Angst … verschlossene Türen … enttäuschte Hoffnungen … sich eingesperrt fühlen … die bange Frage, was jetzt werden soll … ich denke, fast jeder und jede kann da Bezugspunkte für sich selber finden.
Das war die Situation damals, und wohl nicht nur damals: die Angst, die jemand hat, wenn er sich alleingelassen fühlt.

Zweitens: Von den Problemen, die einer hat, der später dazukommt

Am Pfingstmontag wird kaum jemand hier sein, der oder die nicht zum (Anführungszeichen) „Stammpublikum“ des Gottesdienstes zählt. Der sich daneben fühlt, weil die anderen schon mehr erlebt haben und sich besser auskennen.
Die sich mit dem Beten schwer tun, wenn andere frei von der Leber weg beten.
Wenn andere über 1.Korinther 57 diskutieren und ich weiß nicht einmal, wo ich in der Bibel das Neue Testament finde…

Wenn wir nach unserem Predigtabschnitt ein paar Verse weiterlesen, stoßen wir auf Thomas, der gemeinhin „Der ungläubige Thomas“ genannt wird.
Thomas war auch einer der Freunde und Jünger Jesu, aber an diesem Abend war er nicht dabei. Als Jesus durch verschlossene Türen gegangen ist und gesagt hat: „Friede sei mit euch“.
An diesem wichtigen Abend war er grad nicht da.
V.24 „Thomas aber, der Zwilling genannt wird, einer der Zwölf, war nicht bei ihnen, als Jesus kam.“
Er hat also nicht mitbekommen, was die anderen erlebt haben.
Sie erzählen’s ihm: „Wir haben den Herrn gesehen“.
Sicher mit Begeisterung.
Sie versuchen, ihm / ihre Erfahrungen mitzuteilen.

Aber es klappt nicht. Es klappt meistens nicht, wenn man versucht, seine eigenen geistlichen Erfahrungen, seine Begegnungen mit Gott anderen weiterzugeben.
Und aufdrängen funktioniert schon überhaupt nicht.

Es ist schön und wertvoll, seine eigenen Erfahrungen mit anderen zu teilen, auch wenn Mut dazu gehört.
Aber letztlich muss jeder seine eigenen Erfahrungen mit Gott machen.

Aber eines können wir aus der Geschichte von Thomas lernen:
Verachtet mir die Zweifler nicht! Und die Suchenden.
Manchmal verbirgt sich dahinter ein Mensch, der bereit ist für Gespräch und Begegnung.
Manchmal verbirgt sich dahinter mehr als bei anderen, für die alles selbstverständlich ist.
Vielleicht ein Mensch, mit dem Gott unterwegs ist.

Gespräch und Begegnung … nach den letzten Wochen vielleicht wichtiger als zuvor.

Und letztens: Von dem, den selbst verschlossene Türen nicht abschrecken

Was mich immer wieder beeindruckt, ist die Art und Weise, wie Jesus mit Menschen umgeht.
Gerade mit Menschen, die sich nicht so verhalten, wie sie sich eigentlich verhalten sollten.
Der Zweifler Thomas z.B.
Oder Petrus, ein Kapitel später.
Der wackere Kämpfer hat Jesus am Feuer im Hof des Hohepriesters im Stich gelassen und verleugnet. „Nein, ich gehöre nicht zu ihm“.

Und dann kommt Jesus nach der Auferstehung – Johannes 21 – auf Petrus zu.
Er macht ihm keine Vorwürfe. Er hält ihm keine Gardinenpredigt.
Er fragt ihn einfach. Aber etwas, was man einen gestandenen Fischer nicht unbedingt fragen würde.
Er fragt ihn dreimal – genauso oft wie Petrus ihn verleugnet hatte: „Hast du mich lieb?“

Oder die Frau am Brunnen. In Johannes 4.
Oder die Ehebrecherin in Johannes 8. „Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein“.

Erstaunlicherweise sind alle diese nahen, sehr persönlichen Begegnungen vom greisen Johannes in seinem Evangelium aufgeschrieben worden.
Gerade bei ihm wird diese persönliche Art, dieser liebevolle, seelsorgerliche Umgang Jesu mit den Menschen besonders deutlich.

Acht Tage später. Die Türen waren wieder verschlossen. Und die Jünger waren wieder beisammen. Und wieder kommt Jesus.
Einfach so ist er da. Und wieder sagt er: „Friede sei mit euch“.
Dem Thomas hat er seine Wundmale gezeigt, ihm die Chance gegeben, ihn anzugreifen, ihm handgreiflich zu begegnen, ich finde das ist sehr viel.
Mit dem kleinen „Reiberl“ am Schluss – würden wir auf österreichisch sagen: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“.

Was mich berührt, ist dieses Bild:
Verschlossene Türen.
Menschen, die Angst haben, die an ihre Grenzen stoßen… die nicht wissen, wie es weitergeht.
Mauern, Abgrenzung, Eingrenzung … wie ein Vogel im Käfig.
Und dann kommt ER, der in seinem Tod und seiner Auferstehung alle Grenzen überwunden hat, selbst die Grenzen des Todes.
Er kommt. Keine Vorwürfe. Keine guten Ratschläge (was man in manchen Situationen am wenigsten brauchen kann, sind gute Ratschläge: Reiß dich zusammen. Denk positiv. Es wird schon wieder werden).
Nichts von alledem.

Nur vier Worte. Im Griechischen sind es sogar nur zwei: „Friede sei mit Euch“.
Friede. Auf dem hebräischen Hintergrund „Schalom“.
Schalom. Glück. Gelingen des Lebens. Ganzheitlich: Leib, Seele und Geist.

Friede sei mit euch!
Das ist Evangelium. Frohbotschaft.
Zuerst verkündet vom Auferstandenen selbst und dann sofort, direkt weitergegeben an die, die ihm nachfolgen:

„Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, sende ich euch.“

Als Auftrag und als Verheißung weitergegeben an seine Gemeinde. Auch unsere Gemeinde.

So zu leben, so zu glauben, dass Erschöpfte aufatmen,
Suchende finden,
Überhebliche ein bisschen eingebremst werden,
Zweifelnde wieder Mut fassen –
Und das Vertrauen wächst zu dem, der gesagt hat:
„Wo zwei oder drei in meinem Namen beisammen sind, da bin ich mitten unter ihnen.“

Da bin ich mitten unter ihnen. Friede sei mit euch!

Und was dann passiert …
Auferstehung … verschlossene Türen … Jesus selber tritt mitten hinein … schenkt seinen Geist …
Das beschreibt Martin Gutl in einem seiner Gedichte:

Auferstehung

Wir werden vor Türen stehen,
die sich von innen öffnen.


Die daran glauben, haben einen festen Schritt.
Sie teilen mitten unter Geizigen.
Sie danken mitten unter Undankbaren.
Sie hungern mitten unter Satten.
Sie gehen mit einfachem Licht
Durch siebenfache Finsternis.
Sie leben wie die Lilien auf dem Feld
Und wie die Vögel des Himmels.
Sie tanzen durch die Reihen der ewig Ernsten.

Martin Gutl, 1942-1994, steirischer Priester und Rektor des Bildungshauses Mariatrost, Verfasser zahlreicher Gebets- und Medidationsbücher

Sie tanzen durch die Reihen der ewig Ernsten.
Wir werden vor Türen stehen, die sich von innen öffnen.
Weil der da ist, der unsere Grenzen und Mauern überwindet und durch unsere verschlossenen Türen geht.

Das Vertrauen auf seine Gegenwart sprechen wir einander in fast jedem Gottesdienst zu (und bald werden wir es auch wieder singen können):
„Der Herr sei mit euch! – Und mit deinem Geiste!“
Friede sei mit Euch.
Amen.

Lied Singkreis: Friede mit euch